12. November 2019, 9:48 Uhr
Darf ich eigentlich? Was gehört zur Arbeitszeit? 5 wichtige rechtliche Regelungen
Dienstkleidung anziehen, zum Kunden fahren oder den Arbeitsplatz aufräumen: Viele solcher Dinge gelten rechtlich als Arbeitszeit, für die du Bezahlung erwarten kannst. Hier findest du typische Punkte, bei denen sich Arbeitnehmer oft unsicher sind: Ist das Arbeitszeit oder nicht?
Ein Berufs-Rechtsschutz hilft, wenn der Arbeitgeber sich nicht an die Regeln hält. >>
1. Umziehen ist Arbeitszeit, wenn der Job es erfordert
In Jobs, bei denen Dienstkleidung zwingend vorgeschrieben ist und Beschäftigte sie erst im Betrieb anziehen dürfen – etwa aus hygienischen Gründen –, gehört auch das Umziehen zur Arbeitszeit. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden (AZ 5 AZR 168/16). Auf diese Rechtsprechung können sich zum Beispiel Pflegekräfte im Krankenhaus berufen. Dies gilt auch für Personen, die bestimmte Schutzkleidung oder eine Uniform am Arbeitsplatz tragen müssen, diese aber nicht mit nach Hause nehmen und bereits dort anziehen dürfen.
Liegt das Tragen spezieller Dienstkleidung also ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers oder ordnet er es an, gehören das Umziehen – und auch der Weg von der Umkleide an den Arbeitsplatz und zurück – in der Regel zur Arbeitszeit. Allerdings können der Arbeitsvertrag oder ein Tarifvertrag abweichende Regelungen treffen.
2. Zum Kunden fahren ist Arbeitszeit
Wer beispielsweise im Außendienst arbeitet und regelmäßig zu Kunden fährt, kann die Fahrtzeiten als Arbeitszeit verbuchen – denn die Fahrten muss er ja zwingend unternehmen, um seinen Job ausüben zu können.
Wenn der Mitarbeiter morgens regelmäßig direkt von zu Hause aus zum ersten Kunden fährt, gehört die gesamte Fahrtzeit ebenfalls zu seiner Arbeitszeit. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2015 entschieden (AZ C-266/14).
Der Arbeitstag des Außendienstmitarbeiters beginnt dagegen normalerweise im Büro und er fährt nur ausnahmsweise einmal direkt von zu Hause aus zum ersten Kunden? Dann kann er davon nur die Zeit als Arbeitszeit anrechnen lassen, die seine übliche Anfahrtszeit in die Firma übersteigt. Denn: Die normale Anfahrtszeit zum Arbeitsplatz ist keine Arbeitszeit.
3. Bereitschaft ist Arbeitszeit – Rufbereitschaft meistens nicht
Bereitschaftsdienst erfordert es in der Regel, dass der Mitarbeiter sich dafür an seinem Arbeitsplatz oder in unmittelbarer Nähe aufhält und dort bei Bedarf sofort den Dienst antreten kann. Das zählt zur Arbeitszeit und muss vergütet werden, allerdings darf der Stundensatz dabei niedriger sein als bei einer durchgehenden Tätigkeit.
Bei der Rufbereitschaft muss der Mitarbeiter nicht am Arbeitsplatz auf einen möglichen Einsatz warten, sondern lediglich erreichbar sein und auf Abruf zur Arbeit erscheinen. Einen Anspruch auf Vergütung haben Arbeitnehmer in solchen Fällen in der Regel nicht. Da sie trotzdem in ihrem Freizeitverhalten eingeschränkt sind, zahlt der Arbeitgeber oft freiwillig eine Zulage.
Auch Rufbereitschaft kann jedoch als Arbeitszeit gelten, wenn Mitarbeiter nach Abruf innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne am Arbeitsplatz erscheinen müssen. Das hat 2018 der Europäische Gerichtshof entschieden (AZ C-518/15). Erfolgreich geklagt hatte ein Feuerwehrmann aus Belgien, der während seiner Rufbereitschaftszeiten verpflichtet war, innerhalb von maximal acht Minuten am Arbeitsplatz den Dienst aufzunehmen.
4. Toilette, Kaffee, Rauchen: Wird meist toleriert, wenn es im Rahmen bleibt
Neben der offiziellen Mittagspause, die nicht zur bezahlten Arbeitszeit zählt, sorgen die menschlichen Bedürfnisse jedes Arbeitnehmers über den Tag verteilt für weitere kurze Arbeitsunterbrechungen. Aber was davon gehört zur Arbeitszeit?
- Relativ unstrittig ist in der Regel, dass Mitarbeiter während der Arbeitszeit im normalen zeitlichen Rahmen auf die Toilette gehen dürfen, ohne dafür ausstempeln zu müssen.
- Auch den Gang zur Kaffeemaschine oder die schnelle Zigarette vor der Tür tolerieren viele Arbeitgeber unkommentiert und verlangen nicht, dass die Zeit nachgearbeitet wird. Dieses Entgegenkommen sollten Arbeitnehmer jedoch nicht überstrapazieren. Denn: Grundsätzlich darf der Arbeitgeber solche Kurzpausen im Arbeitsvertrag verbieten oder einschränken.
5. Erforderliche Rüstzeiten und Aufräumen: Arbeitszeit – aber nicht jeder Arbeitgeber sieht das so
Mitarbeiter in der Gastronomie oder im Einzelhandel erleben es oft: Das Lokal oder Geschäft schließt – aber jetzt soll noch aufgeräumt, die Kaffeemaschine gereinigt oder ein bummelnder Kunde zu Ende bedient werden. In vielen Betrieben wird stillschweigend erwartet, dass die Angestellten dies "noch mal eben schnell" außerhalb ihrer Arbeitszeit erledigen. Das müssen sie aber nicht: Ist etwa das Aufräumen nach Ladenschluss Pflicht für die Mitarbeiter, gilt es als Arbeitszeit und muss vergütet werden.
Das gilt für alle Tätigkeiten, die der Arbeitgeber ausdrücklich anordnet. Auch wenn er beispielsweise verlangt, dass Mitarbeiter bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Ladenöffnung anwesend sind, um etwa den Verkaufsraum herzurichten, muss er solche betrieblich erforderlichen Rüstzeiten analog zur Umkleidezeit (Punkt 1) vergüten.
Sollen Vor- und Nacharbeiten durch die reguläre Vergütung abgedeckt sein, dann muss der Arbeitgeber dies im Arbeitsvertrag festschreiben. Auch dabei ist jedoch nicht alles erlaubt. Im Zweifel solltest du dich von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten lassen, wenn du ständig unbezahlte Mehrarbeit leisten sollst.
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