6. August 2021, 8:00 Uhr
So geht’s richtig Erbschleicher: So können Angehörige sich schützen
Ein finanziell attraktiver Nachlass kann Begierden wecken. Manche Menschen nutzen deshalb unredliche Tricks, um beispielsweise in den Besitz von Geld oder Immobilien zu kommen. Die rechtmäßigen Erben werden dabei ausgebootet. Sie sind dann die Leidtragenden von Erbschleicherei. Wie du diese Täuschung erkennst und was du dagegen tun kannst, zeigt dir dieser Ratgeber.
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Was ist Erbschleicherei?
In Deutschland wird zwischen 2015 und 2024 ein Vermögen im Wert von 3,1 Billionen Euro vererbt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA). Doch nicht jeder Euro dieser Summe gerät in die von den Erblassern ursprünglich vorgesehen oder der Erbfolge nach berechtigten Hände. Stattdessen geht erfahrungsgemäß ein Teil davon an sogenannte Erbschleicher, die sich daran unrechtmäßig bereichern. Wie schaffen sie das und was ist Erbschleicherei genau?
Das Ziel von Erbschleicherei ist es, in den Besitz eines Nachlasses zu kommen – obwohl dieser ursprünglich anderen Menschen, etwa Verwandten der Verstorbenen, zugedacht war beziehungsweise zusteht. Dafür werden die Erblasser so lange beeinflusst, bis diese ihr Testament zugunsten der Erbschleicher ändern. Auch möglich: Die Erblasser schenken oder überschreiben ihr Vermögen an die Erbschleicher, sodass nach dem Tod nichts mehr für andere Erben übrig ist.
Das machen die Erblasser nicht immer freiwillig oder aus freien Stücken heraus. Stattdessen sind sie oft das Opfer von Manipulationen. So wenden Erbschleicher beispielsweise folgende Methoden an:
- Die Täter bieten sich den Erblassern zunächst in vermeintlich harmloser Weise für Pflegetätigkeiten an oder als Hilfe im Alltag für Einkäufe und Behördengänge.
- Die Täter biedern sich den Opfern an, reden ihnen nach dem Mund, machen ihnen Komplimente und schüren Misstrauen gegen die (leiblichen) Erbberechtigten.
- Die Täter gehen nötigend, erpresserisch beziehungsweise. handgreiflich vor oder machen ihren Opfern auf andere Art Angst.
- Die Täter fälschen Unterschriften der Erblasser.
- Die Täter verschaffen sich Vollmachten und missbrauchen sie.
- Die Täter heiraten die Opfer oder lassen sich von ihnen adoptieren.
- Die Täter schotten die Erblasser gegenüber anderen Menschen ab und lassen keinen Kontakt mehr nach außen zu.
Anhand dieser und ähnlicher Vorgehensweisen kannst du Erbschleicher erkennen. Meist stammen sie aus dem direkten Umfeld der Erblasser. Es können deren Pflegekräfte sein, Nachbarn oder Freunde. Die Täter stammen teils auch aus der eigenen Familie. Auch Erbschleicherei unter Geschwistern kommt vor.
Opfer von Erbschleicherei werden meist vermögende Menschen, die …
- alt,
- gebrechlich,
- geistig eingeschränkt,
- alleinstehend,
- pflegebedürftig,
- arglos beziehungsweise naiv
- im Streit mit der Familie und/oder
- sich selbst überlassen sind.
Die Betroffenen werden so lange manipuliert und beeinflusst, bis die Erbschleicher zu ihnen ein Abhängigkeitsverhältnis aufbauen und sich vermeintlich unverzichtbar machen. Am Ende wird so aus scheinbar selbstloser Unterstützung reine Ausnutzung. Die bezieht sich auch auf die rechtlichen Vorgaben.
Denn in Deutschland darf jeder selbst bestimmen, was mit seinem Nachlass passiert. Es gilt damit laut § 1937 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die sogenannte Testierfreiheit. Die missbrauchen Erbschleicher, indem sie sich von den Erblassern ins Testament aufnehmen lassen und damit automatisch zu rechtmäßigen Erben werden. Jedenfalls, wenn sie damit durchkommen.
Erbschleicher überführen
An welchen Indizien du Erbschleicher erkennen kannst, ist weiter oben beschrieben. Doch wie lassen sich Erbschleicher überführen? Unter Umständen nur mit viel, geradezu detektivischer Arbeit, denn du musst Verdächtigen die Erbschleicherei nachweisen. Und das ist nicht immer einfach. So müssen je nach Fall unterschiedliche Vorgänge geprüft werden. Das betrifft zum Beispiel:
- Unterschriften
- Kontobewegungen
- Schenkungen
- Gebrauch von Vollmachten
Meist geht es darum, Geldströme zu verfolgen. Allerdings ist nicht jede Überweisung auf das Konto eines Verdächtigen automatisch Erbschleicherei. Schließlich kann sie auch einfach nur ein Zeichen von Dankbarkeit des Erblassers sein. Das wäre natürlich völlig legitim.
Erbschleicherei ist nach deutschem Recht kein eigenständiger Straftatbestand. Doch ist sie in der Regel mit anderen Delikten verbunden, die verfolgt werden können. In Betracht kommen nach dem Strafgesetzbuch (StGB) unter anderem
- Betrug (§ 263 StGB)
- Nötigung (§ 240 StGB)
- Veruntreuung (§ 266 StGB)
- Urkundenfälschung (§ 267 StGB).
Weil die Grenzen im Zusammenhang mit Erbschleicherei oft fließend sind, können Laien sie nur schwer ziehen. Deshalb ist es im Zweifel sinnvoll, rechtlichen Beistand zu konsultieren.
So kannst du dich vor Erbschleicherei schützen
Nicht nur, weil sich Erbschleicherei teils schwer beweisen lässt, sind Vorkehrungen dagegen sinnvoll. Das erspart im Falle eines Falles Ärger und Streit – womöglich noch in der eigenen Familie. Um dich (und andere) gegen Erbschleicherei zu schützen, hast du folgende Möglichkeiten zu Lebzeiten des Erblassers.
- Kontakt halten: Erkundige dich regelmäßig nach dem Befinden älterer Verwandter. Kläre sie bei Bedarf über die Gefahr von Erbschleicherei auf und sensibilisiere dafür. Biete dich bei Fragen oder Unsicherheit als Unterstützung an.
- Testierfähigkeit überprüfen: Zweifelst du an der Selbstbestimmung des Erblassers, solltest du seine Testierfähigkeit prüfen und gegebenenfalls aberkennen lassen. Das ist beispielsweise möglich, wenn sie oder er nicht mehr selbst schreiben oder Entscheidungen treffen kann oder Anzeichen von Demenz zeigt. Zum Nachweis brauchst du ein ärztliches Attest. Die Entscheidung trifft dann das Nachlassgericht.
- Ehegattentestament aufsetzen: Ist der Erblasser verheiratet oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, kann er gemeinsam mit dem Partner oder der Partnerin ein sogenanntes Berliner Testament Dabei setzen sich beide jeweils als Alleinerben des anderen ein. Außerdem verfügen sie, dass der Nachlass nach dem Tod beider zum Beispiel komplett an ihre Kinder geht. Der Vorteil dieser Regelung: Der länger lebende Partner kann ein Berliner Testament nicht mehr ändern. Erbschleicher haben deshalb bei ihm oder ihr keine Chance.
- Betreuer bestellen: Du kannst anregen, dass sich ein vertrauenswürdiger Betreuer um die finanziellen Angelegenheiten des Erblassers kümmert. Die betreffende Person untersteht dabei der Vermögensbetreuungspflicht, gegen die sie nicht verstoßen darf.
- Vorsorgevollmacht präzisieren: Die Befugnisse einer Vorsorgevollmacht sollten im Zweifel auf bestimmte Bankgeschäfte, Konten und Vermögenswerte beschränkt werden. Außerdem lässt sich verfügen, dass die Urkunde zur Vollmacht erst dann (zum Beispiel vom Notar) freigegeben wird, wenn die damit verbundene Ursache eingetreten ist. Das kann etwa der Verlust der Geschäftsfähigkeit des Erblassers sein. Zusätzlich ist die Verpflichtung einer kontrollbevollmächtigten Person möglich, die den rechtmäßigen Umgang mit der Vorsorgevollmacht überwacht.
Du kannst dich auch nach dem Tod des Erblassers vor den Folgen von Erbschleicherei schützen. Diese Mittel stehen dir dafür zur Verfügung.
- Testament anfechten: Bestehen Zweifel an der Legalität des letzten Willens, lässt er sich anzweifeln. Möglich ist das unter anderem, wenn erwiesenermaßen (!) ein Fall von Erbschleicherei vorliegt. Dazu muss beispielsweise bewiesen werden, dass der Erblasser nicht mehr testierfähig war, beim Schreiben des Testaments unter Druck gesetzt worden ist, einen Pflichtteilsberechtigten nicht berücksichtigt hat oder eine Verletzung von 14 Heimgesetz (HeimG) vorliegt. Demnach dürfen Pflegekräfte nichts erben, sofern sie von dem Nachlass wussten.
- Erbunwürdigkeit belegen: Verdächtigst du jemanden der Erbschleicherei, dann kannst du ihn nach 2339 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vom Nachlassgericht für erbunwürdig erklären lassen. Gründe für eine Erbunwürdigkeit sind beispielsweise gegeben, wenn der Erblasser “durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung” ein Testament nicht beziehungsweise nicht nach seinem freien Willen aufsetzen konnte. Dafür liegt die Beweislast bei dir.
- Erbschleicher wollen sich illegal und auf Kosten der rechtmäßigen Erben an Nachlässen bereichern.
- Erbschleicherei selbst ist kein eigenständiger Straftatbestand, führt allerdings meist zu strafrechtlich relevanten Delikten.
- Erbschleicherei ist oft schwer nachzuweisen.
- Maßnahmen zum Schutz vor Erbschleichern lassen sich am besten zu Lebzeiten des Erblassers ergreifen.
- Nach dem Tod ist die Anfechtung des Testaments möglich oder die Feststellung der Erbunwürdigkeit der Täter.
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