18. Oktober 2023, 17:39 Uhr
Achtung, das wird teuer Was bedeutet Wucher? Mehr zu Definition und Rechtslage
Fordern Anbieter für Waren oder Dienstleistungen vergleichsweise hohe oder sogar deutlich zu hohe Preise, sprechen wir oftmals von Wucher. Doch ist dies eine Straftat? Wie Wucher per Gesetz definiert ist, ab wann ein Rechtsgeschäft dadurch nichtig wird, und ob Bußgelder drohen, liest du in diesem Ratgeber.
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Definition: Was ist Wucher?
Ist der Preis einer angebotenen oder bereits bezahlten Ware oder Dienstleistung zu hoch, kann es sich bei dem Rechtsgeschäft um Wucher handeln. Grundsätzlich gilt bei Wucher: Es besteht ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, etwa wenn die Preise so hoch sind, dass sie nicht mehr als marktüblich gelten.
Wucher kann in vielen Bereichen vorkommen und privater oder gewerblicher Natur sein. Dies kann eine hohe Rechnung vom Schlüsseldienst für eine vergleichsweise schnell erbrachte Leistung sein, hohe Mietpreise für wenig Wohnraum oder sehr hohe Nebenkosten. Auch ungerechtfertigte Inkassogebühren oder überteuerte Konzertkarten von privaten Anbietern können als Wucher gelten. Bei Krediten oder Darlehen kann es Wucher geben, wenn die geforderten Zinsen den üblichen Marktwert übersteigen – dann ist von Wucherzinsen die Rede.
Hohe Preise allein entscheiden jedoch noch nicht darüber, ob es sich bei einem Rechtsgeschäft um Wucher handelt. Zusätzlich ist auch die Motivation der Anbieter entscheidend sowie die Frage, ob vorsätzlich zum Beispiel eine Notlage des Handelspartners ausgenutzt wird, um sich selbst oder Dritten einen Vorteil zu verschaffen. Dies ist oftmals auf dem Wohnungsmarkt zu beobachten, wo die Nachfrage nach Wohnraum höher ist als das Angebot an Wohnungen.
Überhöhte Preise: Wann ist es tatsächlich Wucher?
Ab welchem Preis es sich bei einem Rechtsgeschäft um Wucher handelt, ist pauschal schwer einzuschätzen und immer im Einzelfall zu betrachten. Sind die Preise für eine geforderte Dienstleistung oder Ware allerdings doppelt oder dreifach so teuer als marktüblich, kann von Wucher ausgegangen werden. Bei Wucherzinsen gilt die folgende Faustregel: Die vereinbarten Zinsen liegen mehr als 12 Prozent über dem üblichen Marktwert.
Wucher als Sittenwidrigkeit oder Straftat: So steht es um die Rechtslage
Das Zivilrecht definiert Wucher als Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Liegt ein Wuchertatbestand vor, also wird eine Person unter bestimmten Voraussetzungen bewusst benachteiligt, ist dies laut BGB ein Wuchergeschäft und somit unwirksam. Entscheidend ist allerdings die Motivation des Anbieters: Handelt dieser lediglich grob fahrlässig, liegt kein Wucher vor.
Gemäß § 291 des Strafgesetzbuches (StGB) können Wuchergeschäfte strafbar sein. Die Kriterien, unter denen das Geschäft als Ausbeutung des Handelspartners gilt, sind dabei dieselben wie im Zivilrecht:
- Betroffene befinden sich bei Abschluss des Rechtsgeschäftes in einer Zwangslage. Sie stimmen möglicherweise dem zu hohen Angebot zu, um eine andere ungünstige Situation abzuwenden.
- Fehlt es den von Wucher betroffenen Personen an Erfahrung, können Anbieter diese Unerfahrenheit ausnutzen.
- Auch ein mangelhaftes Urteilsvermögen kann zum Abschluss eines Wuchergeschäftes führen, wenn Betroffene dadurch beispielsweise unwissend einen Vertrag zu ihrem Nachteil abschließen.
- Eine erhebliche Willensschwäche kann ebenfalls Auslöser für das Abschließen eines Wuchergeschäfts sein. Eine solche Situation liegt vor, wenn eine Person nicht die Willenskraft besitzt, ihr Verhalten entsprechend zu steuern, etwa weil sie durch Umstände wie Erkrankungen oder Abhängigkeiten daran gehindert wird.
Werden diese Schwächen des Gegenübers bei der Gewährung eines Kredits, dem Vermieten von Wohnraum oder einer sonstigen Leistung zum eigenen finanziellen Vorteil ausgenutzt, kann das für den Wucherer entsprechende Strafen nach sich ziehen. Es droht entweder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.
Vor Gericht entscheidet der Einzelfall
Im Jahr 2019 urteilte das Landgericht Essen (LG Essen), dass es sich bei der zu hohen Rechnung eines Schlüsseldienstes zivilrechtlich um Wucher als Sittenwidrigkeit handele (AZ 15 S 263/18). Die Kosten für den Einsatz überstiegen in diesem Fall mehr als das Dreifache des marktüblichen Wertes.
Zu hohe Rechnungen eines Schlüsseldienstes können auch dann Wucher sein, wenn bei dem Einsatz eine Notsituation herrscht, durch die ein größerer Schaden entstehen könnte. Beispielsweise wenn akute Brandgefahr besteht oder ein Kind unbeaufsichtigt eingesperrt wurde. Verlangt ein Anbieter in einem solchen Fall eine zu hohe Summe für das Aufsperren, kann er sich strafbar machen – schließlich bleibtden Betroffenen keine andere Wahl, als das Rechtsgeschäft einzugehen.
Verdacht auf Wuchergeschäft: So kannst du handeln
Bist du bei einem Vertrag unsicher, ob es sich bei den genannten Zinsen oder den Preisen für eine Ware oder Dienstleistung um Wucher handelt, ist es ratsam, eine unabhängige Beratung in Anspruch zu nehmen. Du kannst beispielsweise Kontakt zur Verbraucherzentrale aufnehmen oder dir juristische Hilfe suchen. Steht fest, dass es sich tatsächlich um Wucher handelt, solltest du den Fall bei der Polizei anzeigen.
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