17. März 2022, 9:00 Uhr
Darf ich eigentlich? Arztbesuch während der Arbeitszeit: Erlaubt oder nicht?
Niemand sucht sich aus, wann er von Zahnschmerzen oder einem Rückenleiden geplagt wird. Doch ist ein Arztbesuch während der Arbeitszeit überhaupt erlaubt? Eigentlich nicht, doch gibt es einige Ausnahmen von der Regel.
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Recht auf Arztbesuch während der Arbeitszeit: Es kommt auf Dringlichkeit an
Kann ich während der Arbeitszeit zum Arzt gehen? Hast du spontan große Schmerzen oder andere Beschwerden, dann ist ein Arztbesuch während der Arbeitszeit nicht nur erlaubt, sondern sogar notwendig – zum einen, damit dir geholfen werden kann, zum anderen aber auch für eine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit, die dein Arbeitgeber braucht.
Was aber, wenn der Fall nicht so eindeutig ist und du dich zwar fit genug zum Arbeiten fühlst, aber beispielsweise seit Wochen Rückenschmerzen hast, die nicht besser werden? Der Freistellungsanspruch aus § 616 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestimmt, dass Arbeitnehmer das Recht haben, während der Arbeitszeit zum Arzt zu gehen, sofern eine gewisse Dringlichkeit gegeben ist. Der Lohnanspruch bleibt in solchen Fällen bestehen. Sofern also im Tarif- oder Arbeitsvertrag nichts anderes steht, kannst du dich rechtlich darauf berufen.
Doch was bedeutet „dringend”? Sind die Beschwerden akut, sprich dringend behandlungsbedürftig, darfst du laut Arbeitsrecht einen Arztbesuch auch während der Arbeitszeit wahrnehmen. Das gilt für Fieber ebenso wie für Zahn- und Rückenschmerzen. Probleme, die weniger akut sind – ein abgebrochener Zahn beispielsweise – sollten hingegen außerhalb der Arbeitszeiten behandelt werden.
Planbare Behandlungen oder Untersuchungen
Grundsätzlich bist du als Arbeitnehmer verpflichtet, deine Arzttermine außerhalb der Arbeitszeit zu legen. Vor allem, wenn es sich um planbare Vorsorgeuntersuchungen wie den regelmäßigen Besuch beim Zahn- oder Hautarzt handelt, solltest du stets versuchen, einen Termin nach Feierabend oder früh am Morgen vor der Arbeit zu vereinbaren. Lässt sich kein Termin außerhalb der Arbeitszeit finden, solltest du in Erwägung ziehen, dich für den Termin beurlauben zu lassen. Tipp: Sprich mit deinem Arbeitgeber! Vielleicht lässt sich eine Lösung finden, bei der du deine arztbesuchbedingte Fehlzeit nacharbeiten oder mit Überstunden verrechnen kannst.
Gut zu wissen: Handelt es sich bei deinem anstehenden Termin um eine Behandlung oder Untersuchung, die zu einem bestimmten Zeitpunkt am Tag durchgeführt werden muss, ist dein Arbeitgeber verpflichtet, dich dann von der Arbeit freizustellen. Außerdem kannst du Lohnfortzahlung verlangen. Das gilt beispielsweise für Blutabnahmen, die meist morgens stattfinden, oder Untersuchungen, die auf nüchternen Magen erfolgen. Für den Hin- und Rückweg ist der Arbeitnehmer ebenfalls freigestellt, sofern er diese Zeit ausschließlich dafür nutzt, um zum Arzt und anschließend direkt wieder an den Arbeitsplatz zu kommen. Einkäufe und andere Erledigungen sind nicht erlaubt.
Gegebenenfalls müssen Arbeitnehmer nachweisen, dass sie ihren Arzttermin nicht außerhalb ihrer Arbeitszeit wahrnehmen konnten. Wie? Indem sie sich dies von ihrem Arzt bescheinigen lassen.
Muss ich den konkreten Grund für meinen Arztbesuch nennen?
Nein, dazu sind Arbeitnehmer nicht verpflichtet. Die meisten machen es aus Gründen der Kollegialität trotzdem, wenn es ihnen während der Arbeitszeit plötzlich schlecht geht. Schließlich muss womöglich ein Kollege oder eine Kollegin für die Zeit einspringen und hat dafür mehr Verständnis, wenn der Grund des Fernbleibens greifbar ist. Es ist also nice to know für Arbeitgeber und Kollegen, nicht aber verpflichtend.
Arzttermin während der Arbeitszeit: Auch bei Gleit- oder Teilzeit möglich?
Keine Regel bekanntlich ohne Ausnahme: Auch medizinisch notwendige (aber nicht „akute”) Untersuchungen wie eine Blutabnahme können im Zweifelsfall zur Privatsache werden. Dann nämlich, wenn deine Arbeitszeit per Vertrag als Gleitzeit geregelt ist. Ganz nach dem Motto: Flexible Arbeitszeiten, flexible Freizeit, flexible Organisation. Steht im Arbeitsvertrag nichts anderes, kann der Arbeitgeber also verlangen, Arbeitszeit und Arzttermin so gut es geht aufeinander abzustimmen.
Und was ist bei Teilzeit? Auch hier wird vom Arbeitnehmer mehr Flexibilität erwartet, denn seine Möglichkeiten, einen Arzttermin außerhalb seiner Arbeitszeit wahrzunehmen, sind einfach größer als bei Vollzeitbeschäftigten. Ausnahmeregelungen gibt es mitunter aber auch für Teilzeitbeschäftigte.
Öffnungszeiten des Arztes kollidieren mit der Arbeitszeit – was nun?
Jeder hat es wohl schon einmal erlebt: Der Arzt hat Öffnungszeiten, die mit den eigenen Arbeitszeiten kollidieren, oder ist so überlastet, dass für dich nur noch ein Termin um 10 Uhr frei war. Worst case! Und tatsächlich: Ist der Grund für deinen Arztbesuch nicht „akut”, besitzt du rechtlich gesehen keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Du hast aber die Möglichkeit, mit deinem Arbeitgeber abzusprechen, wann du die „verlorene” Arbeitszeit gegebenenfalls nachholen kannst.
In allen Fällen gilt: Informiere deinen Chef oder deine Chefin so früh wie möglich über den bevorstehenden Arbeitsausfall, um Ärger zu vermeiden. Kommt es doch zu rechtlichen Streitigkeiten mit deinem Arbeitgeber, stehen wir dir zur Seite.
Was, wenn ich während der Arbeitszeit zum Arzt gehe?
Kann die Arbeitszeit nicht nachgeholt oder mit Überstunden verrechnet werden, gibt es trotzdem Fälle, in denen es rechtlich für Arbeitnehmer „nicht zumutbar” ist, dass sie wochenlang auf einen Arzttermin warten, der zeitlich zu ihren Arbeitszeiten passt. Dabei handelt es sich jedoch meist um Einzelfallentscheidungen, die nicht pauschal bewertet werden können. Ähnliches gilt für den Arztbesuch eines Angehörigen, den dieser nicht allein wahrnehmen kann. Klappt es nicht, den Termin so zu legen, dass er außerhalb deiner Arbeitszeit liegt, darfst du den Besuch auch während deiner Arbeitszeit wahrnehmen. Bist du dir in einem Fall unsicher, lass dich am besten von einem Rechtsschutz-Experten beraten.
Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft
Was viele gar nicht wissen: Werdende Mütter dürfen Vorsorgeuntersuchungen, die in der Schwangerschaft anfallen, während ihrer Arbeitszeit wahrnehmen und eine Entgeltfortzahlung verlangen. Dies regelt § 7 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG). Das Gleiche gilt für festgelegte Zeiten zum Stillen, wenn eine Arbeitnehmerin nach der Geburt ihres Kindes wieder arbeitet und dieses noch stillt.
- Ein Arztbesuch während der Arbeitszeit ist Privatsache – außer die Untersuchung oder Behandlung ist medizinisch notwendig. Dann haben Arbeitnehmer sogar Anspruch auf Lohnfortzahlung für die Zeit des Arzttermins, für Hin- und Rückweg.
- Vorsorgeuntersuchungen und andere „unkritische” Behandlungen müssen außerhalb der Arbeitszeit erfolgen. Ist das nicht möglich, solltest du mit deinem Arbeitgeber sprechen, ob du den Termin trotzdem wahrnehmen und die verlorene Arbeitszeit zum Beispiel anderweitig nachholen kannst.
- Ausnahmen und Sonderfälle gibt es auch hier: Schwangere beispielsweise dürfen ihre Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen, wenn diese in die Arbeitszeit fallen, und werden dafür weiter entlohnt.
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