4. Februar 2015, 16:40 Uhr
So verstehen Sie Ihren Anwalt richtig Anwalt – Deutsch: In Berufung gehen
Ihr Chef überreicht Ihnen eine Abmahnung, an einer Kreuzung nimmt Ihnen ein anderes Auto die Vorfahrt und verursacht so einen Unfall oder ein Kaufhaus nimmt beschädigte Ware nicht zurück – schnell finden Sie sich bei Streitigkeiten wie diesen vor Gericht wieder. Wie Sie ist sich auch Ihre Gegenseite sicher, im Recht zu sein. Das bleibt nicht selten auch nach dem ersten Richterspruch so. Da kommt es dem Unterlegenen gerade recht, wenn er in Berufung gehen kann.
Denn: Nicht jeder juristische Streit endet automatisch mit dem ersten Richterspruch.
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Fühlt sich eine Prozesspartei durch die Entscheidung der ersten Instanz ungerecht und schlecht behandelt, entschließt sie sich meist, in Berufung zu gehen. Die erste Instanz ist bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten das Arbeitsgericht, bei Zivilsachen das Amts- oder Landgericht und bei verwaltungsrechtlichen Streitfällen das Verwaltungsgericht. Geht eine Seite nun in Berufung, ruft sie die nächsthöhere juristische Instanz an, um die getroffene Entscheidung überprüfen zu lassen. Bei arbeitsrechtlichen Entscheidungen landet der Fall dann vor dem Landesarbeitsgericht, bei zivilrechtlichen Entscheidungen das Landgericht oder das Oberlandesgericht und bei verwaltungsrechtlichen Entscheidungen der Verwaltungsgerichtshof.
Voraussetzung für eine Berufung ist jedoch, dass die Prozesspartei durch die Entscheidung der ersten Instanz mindestens mit einem Wert von 600 Euro belastet wurde. Dies regelt § 511 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Berufung ist ein Rechtsmittel
Rechtsanwalt Dr. Klaus Gekeler von der Kanzlei Dr. Kroll & Partner erläutert: „Bei der Berufung handelt es sich um ein sogenanntes Rechtsmittel. Häufig kann nur auf diese Weise ein ergangenes Urteil angefochten werden.“ Neben der Berufung gibt es auch noch die Rechtsmittel Revision und Beschwerde.
„Bei der Revision wird ein Urteil lediglich auf mögliche Rechtsfehler hin überprüft. Tatsachen werden im Rahmen eines Revisionsverfahrens nicht erneut überprüft und deshalb muss eine Beweisaufnahme auch nicht wiederholt werden“, erläutert Dr. Gekeler.
Berufungsverfahren werden bei Urteilen des Amtsgerichts vor dem Landgericht geführt. Es sei denn, es handelt sich um familienrechtliche Streitigkeiten. Wie auch bei Entscheidungen eines Landgerichts ist die zweite Instanz das Oberlandesgericht. Entscheidungen der Berufungsgerichte können in der Regel nur noch in engen Ausnahmefällen und meist bei Zulassung durch das Berufungsgericht mit einer Revision angefochten werden.
Bei einer Berufung muss die Frist beachtet werden
Wollen Sie in Berufung gehen, sollten Sie und Ihr Anwalt schnell handeln. Denn: Für eine Berufung müssen Sie laut § 517 ZPO eine Frist von einem Monat einhalten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem Ihnen oder Ihrem Rechtsanwalt das vollständige Urteil zugestellt wird. Rechtsanwalt Dr. Gekeler erläutert: „Diese kurze Frist besteht, um möglichst schnell Rechtsfrieden und Rechtssicherheit herstellen zu können.“ Wenn Sie also innerhalb der Frist nicht in Berufung gehen, wird das Urteil rechtskräftig, ist grundsätzlich zu akzeptieren und muss umgesetzt werden.
Bei der Berufung gilt „Verschlechterungsverbot“
Kommt es zu einer Berufung, müssen Tatsachen neu geprüft, Zeugen erneut befragt und Gutachten eingeholt werden. So mancher, der gern in Berufung gehen möchte, zögert und fragt sich: Kann sich meine Situation durch eine Berufung vielleicht sogar noch verschlechtern? Kann also das Urteil noch schlechter ausfallen als in der ersten Instanz? „Nein“, sagt der Rechtsanwalt der Kanzlei Dr. Kroll & Partner. „Bei einer Berufung gilt ein sogenanntes Verschlechterungsverbot.“
Das bedeutet konkret: Geht nur eine Prozesspartei – zum Beispiel der Beklagte – in Berufung, kann das Urteil der zweiten Instanz für ihn nicht schlechter ausfallen. Anders dagegen sieht es aus, wenn auch die andere Partei – etwa der Kläger – gegen das gleiche Urteil Berufung einlegt. Dr. Gekeler: „Hier kann das Ergebnis durch das Urteil der zweiten Instanz für die eine oder andere Prozesspartei besser oder schlechter ausfallen.“
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