29. März 2022, 11:30 Uhr
Fake oder Fakt? „Überstunden mit Gehalt abgegolten”: Ist das rechtens?
„Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten.” So steht es oft in Arbeitsverträgen. Das soll bedeuten, dass Beschäftigte für zusätzlich geleistete Wochenstunden keinen Ausgleich bekommen. Doch ist das überhaupt rechtens?
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Überstunden sind grundsätzlich zulässig
Überstunden sind in Deutschland weit verbreitet. Eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verzeichnet: Arbeitnehmer in Deutschland leisteten im Jahr 2020 insgesamt rund 1,667 Milliarden Überstunden – davon 892 Millionen, also mehr als die Hälfte, unbezahlt.
Das sorgt bei vielen Beschäftigten für Frust. Insbesondere, wenn sie das Gefühl haben, dass sich der Arbeitgeber mithilfe von Klauseln im Arbeitsvertrag vor der Verpflichtung drücken will, die geleisteten Überstunden durch Geld oder Freizeit auszugleichen. Doch solche Klauseln können durchaus rechtlich wirksam sein.
Auch die Überstunden selbst sind grundsätzlich zulässig – unter bestimmten Bedingungen. Infos zur Rechtslage findest du auf unserer Themenseite „Überstunden”.
Grundsätzlich gilt: Überstunden, die nicht ausdrücklich angeordnet worden sind, musst du auch nicht leisten. Sind die Überstunden hingegen wirksam mit dem Gehalt abgegolten, hast du in der Regel keinen Anspruch auf zusätzlichen Freizeitausgleich.
„Überstunden mit dem Gehalt abgegolten”: Nur rechtens mit konkreter Höchstzahl
Früher waren in Arbeitsverträgen oder Betriebsvereinbarungen oft Formulierungen wie die folgenden zu finden:
- „Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten.”
- „Etwaig anfallende Überstunden sind mit der vereinbarten Monatsvergütung abgegolten.”
- „Mit der vorstehenden Vergütung sind geleistete Überstunden des Arbeitnehmers abgegolten.”
Solche vagen Formulierungen sind aber gemäß einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Jahr 2010 ungültig. Die Richter befanden damals, dass ein solcher Wortlaut zu ungenau und schwammig sei. Es müsse klar werden, welche konkrete zusätzliche Arbeitsleistung gemeint sei (AZ 5 AZR 517/09).
Für die Praxis heißt das, dass aus einer Überstundenklausel im Arbeitsvertrag genau hervorgehen muss, bis zu welcher Anzahl oder welchem Anteil Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind.
So könnte eine rechtswirksame Überstundenklausel lauten:
- „Überstunden im Umfang von bis zu 15 Prozent über die vereinbarte Wochenarbeitszeit hinaus sind mit dem Gehalt abgegolten.”
- oder: „Mit dem Gehalt sind bis zu drei Überstunden pro Woche abgegolten.”
Wie viele Überstunden pro Woche oder pro Monat als „mit dem Gehalt abgegolten” gelten dürfen, ist nicht pauschal festgelegt – es gibt keine gesetzliche Regelung dazu. Ob Arbeitnehmer durch eine vertragliche Regelung übermäßig benachteiligt werden, ist jeweils eine Einzelfallentscheidung. Im Streitfall müssen oft Arbeitsgerichte darüber urteilen.
So entschied etwa das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern 2021: Eine Klausel im Arbeitsvertrag, wonach bis zu zehn Überstunden pro Monat mit dem Gehalt abgegolten sind, kann durchaus zulässig sein – auch bei einem vergleichsweise niedrigen Gehalt (AZ 2 Sa 26/21).
Geht deine Mehrarbeit über das vertraglich vereinbarte Maß hinaus, solltest du jedoch dringend mit deinem Arbeitgeber sprechen. Wie eine wirksame Überstundenregelung aussehen kann, erfährst du in diesem Streitlotse-Ratgeber.
Überstundenregelung für Besserverdienende und Dienste höherer Art
Für sogenannte Besserverdienende gelten andere Regeln. Zu dieser Gruppe gehörst du mit einem Gehalt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die liegt im Jahr 2022 bei einem monatlichen Einkommen von 7.050 Euro im Westen beziehungsweise 6.750 Euro im Osten Deutschlands.
Ein Entgelt in dieser Höhe erhältst du in der Regel zum Beispiel als leitende Angestellte. Kannst du also Mitarbeiter einstellen und entlassen oder besitzt du Handlungsvollmacht beziehungsweise Prokura und/oder übst eine unternehmerische Funktion aus, sind sämtliche deiner Überstunden automatisch mit dem Gehalt abgegolten.
Das gilt ebenfalls, wenn du einen sogenannten Dienst höherer Art ausführst. Dabei handelt es sich um Tätigkeiten, für die ein überdurchschnittliches Maß an Fachkenntnissen oder wissenschaftlicher Bildung erforderlich ist. Dazu zählen beispielsweise Ärztinnen, Architekten, Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüferinnen. Auch bei diesen Berufsgruppen spielt es keine Rolle, ob für sie zehn oder 20 Überstunden pro Woche anfallen – einen Anspruch auf zusätzliche Vergütung haben sie nicht.
- Überstunden sind grundsätzlich zulässig, ebenso eine Klausel im Arbeitsvertrag, wonach diese mit dem Gehalt abgegolten sind.
- Allerdings muss dafür eine konkrete Zahl an Überstunden beziehungsweise eine Prozentzahl vertraglich benannt werden. Arbeitnehmer dürfen dadurch nicht unangemessen benachteiligt werden.
- Für Besserverdienende, leitende Angestellte und bestimmte Berufsgruppen besteht grundsätzlich kein Anspruch auf einen Überstundenausgleich.
Bitte lesen Sie zu dem Inhalt auch unsere Rechtshinweise.