4. Mai 2023, 10:00 Uhr
So geht’s richtig Qualifiziertes Arbeitszeugnis anfordern: Das ist zu beachten
Wenn ihr Arbeitsverhältnis endet, können Arbeitnehmer ein qualifiziertes Arbeitszeugnis anfordern. In diesem muss der Arbeitgeber ihre Leistungen und ihr Arbeitsverhalten objektiv bewerten. Worauf du in diesem Zusammenhang außerdem Anspruch hast und was du beachten solltest, liest du hier.
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Wer hat wann ein Anrecht auf ein Arbeitszeugnis?
Arbeitnehmer haben grundsätzlich Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis vom Arbeitgeber, wenn sie aus dem Unternehmen ausscheiden. Dies regelt § 109 Gewerbeordnung (GewO). Sobald feststeht, dass du das Unternehmen verlassen wirst, solltest du das Zeugnis aktiv anfordern. Denn wenn du kein Zeugnis verlangt hast, muss der Arbeitgeber hier theoretisch nicht tätig werden.
Eine Ausnahme stellt das Arbeitszeugnis nach erfolgreich abgeschlossener Berufsausbildung dar: Gemäß § 16 Berufsbildungsgesetz (BBiG) sind ausbildende Arbeitgeber verpflichtet, Absolventen einer Berufsausbildung ein Zeugnis auszustellen, auch wenn diese das Zeugnis nicht explizit eingefordert haben.
Einfaches und qualifiziertes Arbeitszeugnis: Der Unterschied
Ein einfaches Arbeitszeugnis enthält nur Angaben zu deinen Personalien sowie zur Art und Dauer der Beschäftigung – ohne Informationen zu deiner Tätigkeit oder deiner Leistung.
Anders beim qualifizierten Arbeitszeugnis: Hier werden zusätzlich detaillierte Angaben zu deinen Arbeits- und Aufgabenbereichen aufgeführt, ergänzt durch eine ausführliche Beurteilung deiner Leistung und deines Arbeitsverhaltens.
Nach § 109 GewO hast du als Arbeitnehmer mindestens Anspruch auf das einfache Arbeitszeugnis, wenn du das Unternehmen verlässt. Du kannst aber verlangen, dass zusätzlich Leistung und Verhalten bewertet werden. Daher bietet es sich an, immer gleich ausdrücklich ein qualifiziertes Arbeitszeugnis anzufordern.
Du kannst das Arbeitszeugnis kurz und formlos per Mail bei deinem Vorgesetzten oder der Personalabteilung anfordern. Das Zeugnis darf allerdings nie nur in elektronischer Form ausgestellt werden, sondern muss auf Papier vorliegen.
Du verlässt die Firma (noch) nicht, möchtest aber für alle Fälle ein Zeugnis in petto haben? Wie es mit dem Anspruch auf ein Zwischenzeugnis aussieht, liest du in diesem Streitlotse-Ratgeber.
Arbeitszeugnis: Diese Fristen sind zu beachten
Wenn du nach dem Ende deines Arbeitsverhältnisses nicht sofort ein Arbeitszeugnis angefordert hast, hast du noch etwas Zeit, um dies nachzuholen. Gemäß § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verjährt dein Anspruch grundsätzlich nach drei Jahren. Diese Frist solltest du aber nach Möglichkeit nicht ausreizen, denn es muss für deinen ehemaligen Arbeitgeber noch möglich und zumutbar sein, deine Leistungen zu bewerten. Auch kann vertraglich eine kürzere Verjährungsfrist vereinbart sein.
Innerhalb welcher Frist das Arbeitszeugnis ausgestellt sein muss, nachdem du es angefordert hast, ist gesetzlich nicht geregelt. Es ist jedoch üblich und erwartbar, dass ein Arbeitszeugnis innerhalb weniger Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt. Manchmal ist dies sogar betriebsintern vertraglich geregelt. Brauchst du das Zeugnis dringend, solltest du dem Arbeitgeber eine Frist setzen, etwa zwei bis vier Wochen.
Aber was, wenn der Arbeitgeber sich deutlich länger Zeit lässt? Zunächst solltest du ihn freundlich an dein Anliegen erinnern. Böse Absicht steckt meist nicht dahinter, wenn das Arbeitszeugnis auf sich warten lässt: Vielleicht hatte die Personalabteilung einfach gerade viel zu tun. Ignoriert der ehemalige Arbeitgeber deine Nachfragen aber dauerhaft und hartnäckig, solltest du dir Unterstützung bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht holen, der dir dabei helfen kann, deinen Anspruch auf das Arbeitszeugnis durchzusetzen.
Schneller und entspannter geht es oft, wenn du selbst eine Auflistung deiner Tätigkeiten und Aufgaben lieferst, damit dein Vorgesetzter sie nur noch bewerten muss. Wenn dir sogar angeboten wird, den ersten Entwurf deines Arbeitszeugnisses gleich selbst zu schreiben, solltest du die Chance nutzen. Hier liest du, auf was du dabei achten musst.
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Vorgaben für die Unterschrift auf dem Arbeitszeugnis
Auf das Zeugnis gehört die eigenhändige Unterschrift der Geschäftsführung oder eines Vorgesetzten mit Angabe der Positionsbezeichnung. Die unterzeichnende Person muss ihre übliche Unterschrift verwenden, damit weder die Echtheit des Dokuments in Frage gestellt werden kann noch Rückschlüsse auf mögliche versteckte Wertungen möglich sind.
In einem Streitfall bezüglich der Unterschrift auf dem Arbeitszeugnis war 2016 eine Arbeitnehmerin vor dem Landesarbeitsgericht Hamm erfolgreich (AZ 4 Ta 118/16):
- Ihr früherer Arbeitgeber hatte das Zeugnis so krakelig unterschrieben, dass die Unterschrift nicht erkennbar war und auch nicht mit seiner üblichen übereinstimmte.
Bei einem weiteren angeforderten Zeugnis unterschrieb er quer zum Text und nach rechts unten abfallend.
- Das Gericht stimmte der Klägerin zu, dass diese Art der Unterschrift unüblich sei und den Eindruck erwecken könne, der Arbeitgeber sei mit den Leistungen seiner ehemaligen Angestellten nicht zufrieden gewesen.
- Der Arbeitgeber musste daher erneut unterschreiben.
Wohlwollendes Arbeitszeugnis: So begründet sich der Anspruch
§ 109 GewO enthält eine wichtige Vorgabe zur Sprache in Arbeitszeugnissen: „Klar und verständlich“ muss sie sein. Es dürfen keine Formulierungen enthalten sein, die beim Leser einen anderen als den aus Form und Wortlaut hervorgehenden Eindruck erwecken.
Diese Maßgabe hat bereits zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geführt, denn häufig sind Letztere mit der einen oder anderen Formulierung nicht einverstanden und verstehen sie als zu negativ. Viele Arbeitnehmer berufen sich dann auf ihr „Recht auf ein wohlwollendes Arbeitszeugnis“. Aber worin begründet sich dieses eigentlich?
Der vage Begriff „wohlwollend“ in Bezug auf Arbeitszeugnisse findet sich nicht im Gesetzestext, sondern ergibt sich aus der Rechtsprechung. In dieser herrscht Einigkeit darüber, dass ein Arbeitszeugnis dem Adressaten bei seinem weiteren beruflichen Werdegang keine ungerechtfertigten Schwierigkeiten bereiten sollte. Doppeldeutigkeiten, die ihn gegenüber Dritten trotz vordergründig positiver Formulierungen in einem schlechten Licht dastehen lassen, sind daher nicht zulässig.
Gleichzeitig muss die Formulierung im Arbeitszeugnis der Wahrheit entsprechen. Daraus folgt, dass Arbeitnehmer in der Regel kein Recht auf Wunschformulierungen oder -benotungen haben, wenn der Arbeitgeber die Leistung objektiv anders bewertet.
Bewertungen, Noten, Formulierungen: Arbeitszeugnis genau prüfen
Zwischen Standardformulierungen zur Arbeitsleistung wie „zur vollen Zufriedenheit“ (Note 3 oder befriedigend) oder „stets zur vollsten Zufriedenheit“ (Note 1 oder sehr gut) liegen sprachlich nur Nuancen – und doch entscheiden genau diese feinen Unterschiede letztlich über die Bewertung, die in Anlehnung an das Schulnotensystem aus den Arbeitszeugnis-Formulierungen zurückübersetzt werden kann.
Diese 10 typischen Arbeitszeugnis-Formulierungen solltest du kennen >>
Um späteren Streit mit deinem Arbeitgeber wegen möglicher Unklarheiten im Zeugnis zu vermeiden und auf der sicheren Seite zu stehen, solltest du dein qualifiziertes Arbeitszeugnis nach Erhalt gründlich prüfen.
- Sind alle wichtigen Angaben und Details enthalten?
- Sind vielleicht einige Informationen zu schwammig oder nicht der Wahrheit entsprechend formuliert?
- Fallen dir Grammatik- oder Rechtschreibfehler auf?
Findest du problematische Passagen, sprichst du deinen (ehemaligen) Vorgesetzten am besten freundlich und direkt darauf an. Wenn Aussagen deiner Meinung nach objektiv falsch sind, kannst du auch um eine Nachbesserung bitten. Dabei ist es wichtig, konkrete Beispiele für die begehrte bessere Beurteilung anzuführen. Sind diese für den Arbeitgeber nachvollziehbar, lassen sich Rechtsstreitigkeiten oft vermeiden.
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Arbeitszeugnis anfechten – lohnt sich das?
Gerichte befassen sich immer wieder mit Arbeitszeugnis-Streitfällen. Wenn der Arbeitgeber deinem Wunsch nach Korrektur oder Nachbesserung nicht entsprechen will, solltest du dich juristisch beraten lassen. Ein Fachanwalt oder eine Fachanwältin für Arbeitsrecht kann einschätzen, ob der Weg vor ein Arbeitsgericht in deinem Fall erfolgversprechend ist.
2014 etwa sprach das Bundesarbeitsgericht (BAG) einer Arbeitnehmerin den Anspruch auf eine bessere Beurteilung im Arbeitszeugnis ab (AZ 9 AZR 584/13).
- Die Klägerin hatte ein Arbeitszeugnis erhalten, in dem ihre Leistungen mit „zur vollen Zufriedenheit“ beurteilt wurden, also der Note 3. Sie erhob jedoch Anspruch auf die Formulierung „stets zur vollen Zufriedenheit“, da gute bis sehr gute Leistungsbewertungen branchenüblich seien und sie sich bei künftigen Bewerbungen daher benachteiligt sah.
- Die Vorinstanzen gaben ihr Recht, aber der Arbeitgeber legte beim BAG erfolgreich Revision ein.
- Das BAG begründete seine Entscheidung so: Beansprucht ein Mitarbeiter eine bessere Schlussbeurteilung, so steht er in der Pflicht, entsprechende überdurchschnittlich gute Leistungen vorzutragen und zu beweisen. Dass in der Branche überwiegend gute oder sehr gute Noten im qualifizierten Arbeitszeugnis vergeben würden, gelte nicht als automatischer Anspruch auf eine bessere Schlussbeurteilung.
Gut zu wissen: Der Arbeitgeber darf einen berechtigten Korrekturwunsch des Arbeitnehmers nicht zum alleinigen Anlass nehmen, ihm in der neuen Version des Zeugnisses ein schlechteres Verhalten zu attestieren als in der vorherigen Version. Dies bestätigte ebenfalls das BAG (AZ 9 AZR 352/04).
Fließtext, Schlussformel, Dank: Weitere Anforderungen an ein Arbeitszeugnis
Aus einem Urteil des BAG aus dem Jahr 2021 lässt sich ableiten, dass ein qualifiziertes Arbeitszeugnis grundsätzlich als Fließtext zu verfassen ist (AZ 9 AZR 262/20):
- Ein Arbeitnehmer hatte gegen die Auflistung seiner Aufgaben im Arbeitszeugnis in Tabellenform mit Schulnoten geklagt.
- Das BAG entschied, dass diese Form nicht ausreichend sei, um den gesetzlichen Zeugnisanspruch zu erfüllen.
- Begründung: Der Beurteilung fehle die angemessene Gewichtung der Aufgaben und Leistungen, sie sei zudem zu wenig individuell auf den Arbeitnehmer zugeschnitten. Genau dies würde ein potenzieller neuer Arbeitgeber aber erwarten, wenn er das Zeugnis lese.
Viele qualifizierte Arbeitszeugnisse enthalten außerdem eine Schlussformel, in der das Ausscheiden des Arbeitnehmers bedauert wird, der Arbeitgeber ihm für seine Leistungen dankt und ihm für die Zukunft alles Gute wünscht. Ein Rechtsanspruch darauf besteht nach aktueller Rechtsprechung des BAG nicht (AZ 9 AZR 146/21), denn hier sei unter anderem die Meinungsfreiheit des Arbeitgebers berührt. Dieser dürfe nicht gezwungen sein, persönliche Wünsche zu äußern, wenn diese nicht der Wahrheit entsprächen.
Bitte lesen Sie zu dem Inhalt auch unsere Rechtshinweise.