1. August 2022, 10:46 Uhr
Durchatmen Besonderer Kündigungsschutz für Arbeitnehmer: Die Regeln
Im Arbeitsrecht besteht ein besonderer Kündigungsschutz für einige Personengruppen. Er bewahrt diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärker vor dem Verlust des Arbeitsplatzes als andere, weil sie als besonders schutzbedürftig gelten. Für wen der besondere Kündigungsschutz gilt und was ihn vom allgemeinen Kündigungsschutz unterscheidet, erfährst du hier.
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Allgemeiner und besonderer Kündigungsschutz
Der allgemeine Kündigungsschutz schützt alle Arbeitnehmer, die bereits länger als sechs Monate im Unternehmen beschäftigt sind. Er gilt für Unternehmen mit mehr als zehn dauerhaft angestellten Mitarbeitenden. Ausgenommen sind Auszubildende, freie Mitarbeiter und selbständig für das Unternehmen tätige Personen. Greift der allgemeine Kündigungsschutz, dann kann Arbeitnehmern nur gekündigt werden, wenn
- es bestimmte persönliche Gründe dafür gibt (personenbedingte Kündigung)
- das Verhalten eines Mitarbeiters dazu Anlass gibt (verhaltensbedingte Kündigung)
- oder betriebliche Gründe vorliegen (betriebsbedingte Kündigung).
Für bestimmte Personengruppen gilt darüber hinaus ein besonderer Kündigungsschutz, weil sie als besonders schutzbedürftig betrachtet werden. Grundsätzlich ist dadurch die Kündigung direkt auf bestimmte Umstände beschränkt oder von der Zustimmung weiterer Stellen abhängig.
Besonderer Kündigungsschutz für Schwerbehinderte
Eine Kündigung ist beispielsweise gegenüber Schwerbehinderten nur unter erschwerten Bedingungen durchsetzbar. Der besondere Kündigungsschutz greift hier,
- wenn beim Arbeitnehmer ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 festgestellt wurde
- oder bei einem GdB von 30 oder höher, wenn eine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Absatz 3 Sozialgesetzbuch Band 9 (SGB IX) durch die Agentur für Arbeit vorliegt.
Zur wirksamen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ist nach § 168 SGB IX die vorherige Zustimmung des örtlich zuständigen Integrationsamtes nötig. Befristete Arbeitsverhältnisse, einvernehmliche Aufhebungsverträge oder die Kündigung durch den Arbeitnehmer bleiben davon unberührt.
Kündigungsschutz bei Schwerbehinderung – auch in der Probezeit?
Nach § 173 Absatz 1 Nr. 1 SGB IX greift der Kündigungsschutz für Schwerbehinderte erst, wenn das Arbeitsverhältnis seit mindestens sechs Monaten besteht. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat jedoch 2022 geurteilt, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer auch in der Probezeit nur unter bestimmten Voraussetzungen gekündigt werden dürfen (AZ C-485/20).
Artikel 5 der europäischen Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie besagt, dass Arbeitgeber angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen treffen müssen. Gemäß dem Urteil des EuGH schließt das mit ein, dass einem Arbeitnehmer, der aufgrund seiner Behinderung zur Erfüllung seiner bisherigen Aufgaben für ungeeignet erklärt wurde, eine andere freie Stelle zugewiesen werden muss, für die er die nötige Kompetenz, Verfügbarkeit und Fähigkeiten besitzt – auch, wenn sich der Arbeitnehmer noch in der Probezeit befindet.
Besonderer Kündigungsschutz: Auszubildende profitieren
Innerhalb der Probezeit kann ein Ausbildungsverhältnis von beiden Seiten ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, sofern kein Kündigungsverbot vorliegt, wie etwa während einer Schwangerschaft.
Nach der Probezeit genießen Auszubildende den besonderen Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber kann ihnen dann nur noch aus wichtigem Grund kündigen, etwa wenn das Ausbildungsziel durch häufiges unentschuldigtes Fehlen am Arbeitsplatz oder in der Berufsschule gefährdet ist, die Arbeit verweigert wird oder das Verhalten des Azubis die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar macht.
Besonderer Kündigungsschutz für Schwangere und in der Elternzeit
Als besonders schützenswert gelten arbeitsrechtlich auch Schwangere sowie Mütter nach der Entbindung: Eine Kündigung während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf des vierten Monats nach der Entbindung ist verboten, sofern dem Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung oder innerhalb von zwei Wochen danach die Schwangerschaft oder Entbindung mitgeteilt wird. Dies regelt § 17 Mutterschutzgesetz (MuSchG). Dieses Kündigungsverbot gilt auch in Kleinbetrieben, während der Probezeit und im Rahmen einer Ausbildung.
Auch Mütter und Väter, die Elternzeit in Anspruch nehmen, dürfen nicht gekündigt werden – schon ab dem Zeitpunkt, an dem die Elternzeit durch den Arbeitnehmer beantragt wird, frühestens aber acht Wochen vor Beginn der Elternzeit. Wird die Arbeit in der Elternzeit nicht vollständig ausgesetzt, sondern auf Teilzeit bis höchstens 32 Stunden wöchentlich reduziert, gilt der Sonderkündigungsschutz ebenfalls.
Für diese Personengruppen ist der Sonderkündigungsschutz auch relevant
Für Mitglieder des Betriebsrats gilt ein besonderer Kündigungsschutz zusätzlich zum allgemeinen Kündigungsschutz. Während sie ihr Amt innehaben und bis zu einem Jahr danach können sie nur aus schwerwiegenden Gründen gekündigt werden, aber nicht im Rahmen einer ordentlichen Kündigung. Zudem muss der Betriebsrat der Kündigung zustimmen, sofern sie nicht aus Gründen der Betriebsstillegung erfolgt.
Angestellte, die Pflegezeit in Anspruch nehmen, sind durch den Gesetzgeber quasi Angestellten in Elternzeit gleichgesetzt: Sie dürfen ab dem Moment, in dem die Pflegezeit beantragt wird, bis zum Ende der Pflegezeit nicht gekündigt werden – eine Höchstfrist ist hier im Gegensatz zur Elternzeit nicht vorgesehen.
Besonderer Kündigungsschutz kann auch von freiwilligen Wehrdienstleistenden in Anspruch genommen werden. Der Arbeitgeber darf zudem den Wehrdienst nicht als Kündigungsgrund anführen.
Zwar gibt es keinen gesetzlich verankerten besonderen Kündigungsschutz ab 55 oder 70 Jahren, bestimmte Tarifverträge bieten älteren Arbeitnehmern dennoch Sicherheit. Zwei Beispiele:
- Der Tarifvertrag für Beschäftigte im Öffentlichen Dienst (TVöD) regelt etwa, dass über 55-jährige Angestellte, die seit mindestens 20 Jahren beim Arbeitgeber tätig sind, nicht aufgrund von Leistungsminderung gekündigt werden dürfen.
- Gemäß den Tarifregelungen der IG Metall können Arbeitnehmer nach Vollendung des 53. Lebensjahres nicht mehr gekündigt werden – und ab dem vollendeten 54. Lebensjahr ist keine Gehaltskürzung mehr möglich.
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