24. Juli 2024, 15:54 Uhr
Durchatmen Mobbing am Arbeitsplatz: Strafen, Kündigung und Anzeige
Konflikte gehören zum Alltag – auch bei der Arbeit. Wenn ein ungelöster Konflikt zu Mobbing führt, kann das weitreichende Folgen für die Betroffenen haben. Doch was tun? Welche Formen Mobbing am Arbeitsplatz annehmen kann und welche Möglichkeiten Betroffene haben, sich zu wehren, erfährst du hier.
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Konflikte am Arbeitsplatz: Ab wann ist es Mobbing?
Mobbing am Arbeitsplatz kann viele Formen annehmen und unterschiedliche Schweregrade erreichen. Oft beginnt die Schikane aber im Kleinen, etwa durch ständige, scheinbar harmlose Witze auf Kosten eines Kollegen. Vielleicht kommt es auch zur Isolierung der Betroffenen, also dem bewussten Ausschließen aus Arbeitsgruppen oder sozialen Aktivitäten.
Das Landesarbeitsgericht Thüringen hat den Begriff Mobbing 2001 in Deutschland erstmals im arbeitsrechtlichen Sinne definiert (AZ 5 Sa 403 00). Demzufolge handelt es sich bei Mobbing am Arbeitsplatz um „fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die [...] das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen.“
Trotz Unwohlseins unternehmen viele Mobbingopfer oft zunächst nichts, weil sie unsicher sind: Ist es schon Mobbing oder schätzen sie selbst die Situation völlig falsch ein? Und nicht ohne Grund zweifeln viele an ihrer eigenen Wahrnehmung. So urteilte das Landesarbeitsgericht Hamm 2021 etwa, dass auch langanhaltende Konfliktsituationen nicht unbedingt Mobbing darstellen (AZ 1 Sa 1220/20).
Unterschied: Mobbing und Diskriminierung am Arbeitsplatz
Diskriminierung am Arbeitsplatz liegt vor, wenn eine Person im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) aufgrund bestimmter Merkmale benachteiligt wird. Zu diesen Merkmalen zählen etwa Rasse, Geschlecht, Religion, Alter, Behinderung und sexuelle Identität. Bei Mobbing hingegen sind über längere Zeit systematische, würdeverletzende Handlungen aus persönlicher Abneigung oder Neid gegen eine Person gerichtet. Wird eine Person allerdings aufgrund eines der im AGG genannten Merkmale systematisch schikaniert und benachteiligt, überschneiden sich Mobbing und Diskriminierung.
Beispiele für Mobbing: So erkennst du das Bullying
Damit Mobbing am Arbeitsplatz als solches definiert werden kann, müssen die Attacken durch Kollegen oder Vorgesetzte wiederholt erfolgen und miteinander in Verbindung stehen.
Direktes Mobbing umfasst offene, sichtbare Handlungen, die darauf abzielen, eine Person zu verletzen oder zu demütigen.
Dazu gehören beispielsweise:
- verbale Angriffe, etwa Beleidigungen oder ständige Kritik
- physische Handlungen, wie das absichtliche Wegnehmen von Arbeitsmaterialien oder das ständige Unterbrechen während Besprechungen
Indirektes Mobbing hingegen ist subtiler und schwerer zu erkennen. Es beinhaltet oft Handlungen im Verborgenen, die darauf abzielen, das Opfer sozial zu isolieren oder dessen Ruf zu schädigen.
Dazu zählen unter anderem:
- Vorenthalten relevanter Informationen
- Verfälschen von Aufzeichnungen
- Verbreiten von Gerüchten
- Ausschließen aus Besprechungen oder Aktivitäten
- Ignorieren von Beiträgen oder Ideen
Wichtig zu wissen: Schließen sich mehrere Mobbende zusammen, um sich untereinander in ihren Lügen, Anschuldigungen oder Lästereien dem Mobbing-Opfer gegenüber zu bestärken, zweifeln viele Gemoppte an ihrem eigenen Verstand. Mit dem sogenannten „Gaslighting” sollen die Opfer manipuliert werden – denn „wenn alle sagen, ich hätte mich geirrt, wird es schon stimmen”.
Bossing: Mobbing durch den Chef
Wenn Kollegen mobben, ist der Chef ein wichtiger Ansprechpartner und Vermittler zwischen den Mobbern und ihrem Opfer. Aber was, wenn das Mobbing vom Vorgesetzten oder Chef selbst ausgeht („Bossing“)? Beispiele für Mobbing durch Vorgesetzte:
- Übermäßige Kritik: Der Chef ignoriert gute Leistungen und pickt sich dafür die Fehler umso hartnäckiger heraus.
- Feindseliges Verhalten: Der Chef verhält sich einschüchternd, schreit Mitarbeiter an oder gibt sich kalt und ignoriert sie.
- Systematische Demoralisierung: Der Chef überhäuft einen Mitarbeiter mit Aufgaben, sodass er sein Pensum nicht schafft. Oder er entzieht ihm Kompetenzen, sodass er sich dauerhaft unterfordert fühlt („Straining“).
Auch der umgekehrte Fall kommt vor: Der Vorgesetzte ist unbeliebt und wird selbst Opfer von Mobbing-Attacken seiner Mitarbeiter. Dieses Mobbing „von unten nach oben“ nennt man „Staffing“.
Anzeige wegen Mobbing: Ist Mobbing strafbar?
Mobbing am Arbeitsplatz kann Betroffene psychisch krank machen. Das äußert sich beispielsweise in Stresssymptomen, Depressionen und sogar Angstzuständen. Diese psychische Belastung führt nicht selten zu Krankschreibungen.
Dennoch ist Mobbing am Arbeitsplatz als solches kein strafbares Delikt in Deutschland – im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, in denen es eigene Anti-Mobbing-Gesetze gibt.
Anders sieht es aus, wenn durch das Mobbing gleichzeitig Straftatbestände wie Beleidigung oder Körperverletzung erfüllt sind. In solchen Fällen kannst du eine Strafanzeige gegen die Verantwortlichen erstatten und Unterlassungsansprüche geltend machen. Dabei solltest du dich von einem Anwalt beraten und unterstützen lassen.
Was tun bei Mobbing am Arbeitsplatz?
Mobbing sollte niemals einfach hingenommen werden. Ein gemeinsames Gespräch mit einer neutralen dritten Person kann helfen, zu vermitteln. Beispielsweise kann gegebenenfalls der Betriebsrat eingreifen: Gemäß § 85 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) muss er Beschwerden von Arbeitnehmern entgegennehmen und beim Arbeitgeber auf Abhilfe drängen, wenn er sie als berechtigt erachtet.
Helfen diese internen Maßnahmen nicht, kannst du dich bei deinem Arbeitgeber beschweren – dieses Recht hast du gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Der Arbeitgeber hat laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Angestellten: Er muss gegen Mobbing vorgehen, sobald er davon weiß.
Rechtliche Grundlagen beim Mobbing im Job
- Das Arbeitsrecht greift bei Mobbing: Wer am Arbeitsplatz schikaniert wird, kann diverse rechtliche Schutzansprüche aus dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ableiten.
- Gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darf niemand zum Beispiel aufgrund seines Alters, seines Geschlechts oder seiner ethnischen Herkunft benachteiligt oder diskriminiert werden. § 12 AGG verpflichtet den Arbeitgeber, dafür zu sorgen, dass das auch innerhalb seiner Belegschaft nicht geschieht.
- Auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht Betroffener gemäß Artikel 1 und 2 Grundgesetz (GG) muss gewahrt werden.
Betroffene können dann je nach Fall vom Arbeitgeber zum Beispiel verlangen,
- die mobbenden Kollegen – oder auch den Vorgesetzten – dazu aufzufordern, das Mobbing einzustellen,
- oder in anderer geeigneter Weise auf die Mobber einzuwirken. Ob der Arbeitgeber Ermahnungen oder Abmahnungen ausspricht, Kollegen an andere Einsatzorte versetzt oder ihnen sogar kündigt, bleibt dabei ihm überlassen – sofern das Ergebnis ist, dass sich die Situation für den gemobbten Arbeitnehmer bessert.
Unternimmt der Arbeitgeber nichts gegen das Mobbing, haben Betroffene grundsätzlich das Recht, von ihrem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB Gebrauch zu machen und so lange die Arbeit zu verweigern, bis effektive Maßnahmen gegen das Mobbing ergriffen worden sind. Um auf der sicheren Seite zu sein, solltest du diesen Schritt dem Arbeitgeber gegenüber ankündigen und ihm eine letzte Frist zum Handeln setzen.
Als letzter Ausweg ist für Betroffene auch eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB möglich.
Schmerzensgeld und Schadenersatz
Grundsätzlich können Betroffene gegen den Arbeitgeber Schadenersatzansprüche wegen Mobbings am Arbeitsplatz anmelden – wenn der Arbeitgeber zum Beispiel nicht genug dagegen getan hat. Und wenn sie belegen können, dass ihnen ein materieller Schaden durch das Mobbing entstanden ist, zum Beispiel:
- Behandlungskosten, die von der Krankenkasse nicht übernommen werden,
- oder finanzielle Nachteile, etwa durch entgangenes Gehalt nach einer Kündigung oder durch Frühverrentung.
Zudem ist es je nach Fall auch möglich, Schmerzensgeld als Ausgleich für immaterielle Schäden zu erhalten – zum Beispiel für seelisches Leid. Wichtig: Dokumentiere dafür schikanierendes Verhalten von Anfang an und halte die Vorfälle schriftlich fest, um das Mobbing auf der Arbeit nachzuweisen.
Dabei müssen Datum, Uhrzeit, beteiligte Personen, die Art des Vorfalls und das Verhalten des Arbeitgebers konkret benannt werden, um vor Gericht als Grundlage zum Beispiel für Schadenersatzforderungen zu dienen. Entsprechend hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz geurteilt (9 Sa 199/09).
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) erklärte im Fall einer Beamtin, die wegen Mobbings Ansprüche gegen ihren Dienstherrn geltend machte: Sämtliche fraglichen Ereignisse und einzelnen Maßnahmen des Arbeitgebers seien im Rahmen einer Gesamtschau zu prüfen. Diese könnte dazu führen, dass insgesamt eine Fürsorgepflichtverletzung angenommen werden könnte, auch wenn eine dieser Maßnahmen für sich genommen nicht zu beanstanden wäre (AZ 2 C 6.21).
Wichtig zu wissen: Ansprüche auf Schmerzensgeld wegen Mobbings unterliegen der gesetzlichen Verjährungsfrist von drei Jahren. Auch kann es sein, dass Ansprüche innerhalb dieser Frist verwirken, allerdings nur unter besonderen Umständen. Darüber urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG) 2014 (AZ 8 AZR 838/13). Wie sich die Situation in deinem konkreten Fall darstellt, solltest du allerdings gemeinsam mit einem Anwalt erörtern.
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