Kündigung wegen Krankheit: Voraussetzungen und Hintergründe © iStock/yacobchuk

10. Februar 2022, 9:00 Uhr

Durchatmen Kündigung wegen Krankheit: Vor­aus­set­zun­gen und Hintergründe

Klar, jeder ist mal krank und dann arbeitsunfähig. Das ist so normal, dass sich die meisten dabei keine Sorgen um ihren Job machen. Sie fühlen sich sicher, weil sie glauben, eine Krankheit schütze sie vor einer Kündigung. Doch damit liegen sie unter Umständen falsch. Und zwar dann, wenn ihre Fehlzeiten eine gewisse Grenze pro Jahr überschreiten.

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Krank­heits­be­ding­te Kündigung: Erlaubt oder nicht?

Krankheit schützt vor Kündigung – diese Ansicht hält sich hartnäckig. Doch Arbeitsrechts-Experten wissen es besser: In der Praxis kommt es immer wieder zu einer Kündigung wegen Krankheit. Aber unter welchen Voraussetzungen ist das erlaubt?

Die Antwort hängt entscheidend mit der Krankheitsdauer zusammen. Dabei geht es vor allem um die Zeit, die ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist. Allgemein gilt, dass du bis zu sechs Wochen pro Jahr krankheitsbedingt ausfallen kannst, ohne dass dir Konsequenzen wie eine Kündigung drohen.

Bei mehr als sechs Wochen wird es allerdings heikel, wenn dein längerer Ausfall für deinen Betrieb zu einer wirtschaftlichen Belastung wird. Das braucht dein Arbeitgeber nicht einfach so hinzunehmen. Und dabei ist es egal, welche Krankheit du hast. Wichtig: Bei einer krankheitsbedingten Auflösung des Arbeitsverhältnisses handelt es sich in diesem Fall um eine ordentliche Kündigung, nicht um eine fristlose Kündigung.

INFO

Darf mein Arbeitgeber während einer Erkrankung eine Kündigung aussprechen?

Ja, das ist möglich, sofern es dafür betriebs- oder verhaltensbedingte Gründe gibt. Ein Beispiel: Kommt heraus, dass ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin gegen den Arbeitsschutz verstoßen hat und wird das (zufällig) während einer Krankheitsphase des oder der Beschäftigten entdeckt, so ist eine Kündigung rechtens.

Arten krank­heits­be­ding­ter Kün­di­gun­gen: Vor­aus­set­zung für eine Entlassung

Bist du bereits mindestens sechs Monate in einem Unternehmen tätig, greift das Kündigungsschutzgesetz. Jedoch ist darin eine krankheitsbedingte Kündigung nicht explizit aufgeführt. Sie gilt allerdings laut § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) als Sonderfall der personenbedingten Kündigung.

Krankheitsbedingte Kündigungen sind in der Regel unter folgenden Voraussetzungen möglich.

  1. Häufige Kurz­erkran­kun­gen: In diesem Fall waren Beschäf­tig­te übers Jahr verteilt so oft krank, dass das Unter­neh­men deswegen untrag­ba­re wirt­schaft­li­che Probleme bekommen hat. Als Richtwert gelten Fehl­zei­ten von zusam­men­ge­nom­men sechs Wochen pro Jahr. Letztlich ist es jedoch immer eine Ein­zel­fall­ent­schei­dung, ob eine Kündigung wegen Krankheit rechtens ist.
  2. Lang­zeit­er­kran­kun­gen: Bei einer länger dauernde Erkran­kun­gen geht es vor allem um eine zeitliche Prognose hin­sicht­lich der Arbeits­un­fä­hig­keit. Für eine krank­heits­be­ding­te Kündigung muss eine akute Krankheit bestehen, die wahr­schein­lich auch in den kommenden 24 Monaten für gesund­heit­li­che Ein­schrän­kun­gen sorgen wird. Dafür muss der Arbeit­ge­ber nach­wei­sen, dass dies seinen Betrieb vor­aus­sicht­lich wirt­schaft­lich beeinträchtigt.
  3. Krank­heits­be­ding­te Minderung der Arbeits­fä­hig­keit: Sind Beschäf­tig­te krank­heits­be­dingt nicht voll belastbar, ist ebenfalls eine Kündigung möglich. Aller­dings muss der Arbeit­ge­ber vorher im Interesse beider Parteien nach einer Zwi­schen­lö­sung suchen. Das kann bei­spiels­wei­se eine ange­mes­se­ne, weniger anstren­gen­de Tätigkeit oder Teil­zeit­be­schäf­ti­gung sein. Nur wenn auch das nicht geht, darf eine Kündigung erwogen werden.
  4. Dau­er­haf­te Arbeits­un­fä­hig­keit: Bei dau­er­haf­ter Arbeits­un­fä­hig­keit ist eine krank­heits­be­ding­te Kündigung meist unver­meid­lich, weil dann ein Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis aus betriebs­wirt­schaft­li­cher Sicht nicht mehr sinnvoll ist.

Sonderfall: Eine ärztlich bescheinigte Alkoholabhängigkeit des Arbeitnehmers gilt auch als Krankheit und unterliegt daher ebenfalls den beschriebenen Kündigungsvoraussetzungen. Konkret bedeutet dies: Erst wenn andere Maßnahmen nicht helfen und der Betrieb erhebliche wirtschaftliche Probleme wegen der Alkoholabhängigkeit bekommt, ist eine Kündigung möglich.

Mann mit grauen Haaren greift sich an den Kopf.
© iStock/D-Keine

Zu oft krank: Kündigung bei schlech­ter Prognose wahrscheinlicher

In einem Arbeitsverhältnis müssen die Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ausgewogen sein. Ist das nicht so, weil ein Beschäftigter beispielsweise keine (oder keine volle) Arbeitsleistung erbringen kann, darf der Arbeitgeber die Beschäftigung beenden.

Dabei entscheidet vor allem die Gesundheitsprognose darüber, ob eine Erkrankung als Kündigungsgrund infrage kommt: Je schlechter die Vorhersage ist und je höher die Ausfallwahrscheinlichkeit, desto größer ist das Risiko von Unternehmensschäden. Achtung: Die Beweislast für eine positive oder negative Prognose liegt immer beim Arbeitnehmer.

INFO

Ist eine Abmahnung vor der Kündigung notwendig?

Nein, Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter nicht abmahnen, bevor sie eine Kündigung wegen Krankheit aussprechen. Der Grund: Eine Abmahnung soll dazu führen, dass die Beschäftigten ihr Verhalten bessern. Das geht aber nur, wenn sie das selbst in der Hand haben. Für ihre Krankheit sind sie aber meist nicht verantwortlich und können daran nichts ändern.

Ist die Kündigung oder Abmahnung rechtens? Besteht womöglich ein Anspruch auf Abfindung? Mach den Check mit ADVOCARD.

Wichtig: Die Kündigung muss das mildeste Mittel der Wahl sein. Das heißt, dass sie im Vergleich zu anderen Lösungen die Beschäftigten so wenig wie möglich belastet. Eine Kündigung darf zudem erst dann zum Tragen kommen, wenn andere Maßnahmen nicht helfen oder umsetzbar sind. So könnte beispielsweise die Einrichtung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes Abhilfe schaffen.

Betriebliches Eingliederungsmanagement nach Arbeitsunfähigkeit

Eine Abmahnung ist vor einer krankheitsbedingten Kündigung zwar nicht erforderlich. Allerdings müssen Arbeitgeber gewisse Eingliederungsmaßnahmen vornehmen, um einer erneuten Arbeitsunfähigkeit oder längeren Fehlzeiten ihrer Beschäftigten vorzubeugen. So sieht es das “betriebliche Eingliederungsmanagement” (BEM) vor. Das Ziel ist laut § 167 Abs.2 Satz 1 Neun­tes Buch So­zi­al­ge­setz­buch (SGB IX) die Arbeitsplatzsicherung der Betroffenen nach langer Fehlzeit mit nachgewiesener Arbeitsunfähigkeit.

Anwältin erklärt Mandant einen Vertrag.
© iStock/simpson33

Kündigung wegen Krankheit: Abfindung möglich?

Anspruch auf eine Abfindung haben Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Deutschland nur, wenn sie in ihrem Tarif- oder Arbeitsvertrag steht. In dem Fall wird sie auch bei krankheitsbedingter Kündigung fällig.

Darüber hinaus zahlen manche Arbeitgeber Abfindungen, um eine Kündigungsschutzklage zu verhindern oder ein laufendes Gerichtsverfahren zu verkürzen. Wende dich im Zweifelsfall am besten an eine Anwältin oder einen Anwalt.

FAZIT
  • Eine krank­heits­be­ding­te Kündigung ist möglich, muss aber von Arbeit­ge­ber­sei­te aus gut begründet sein.
  • Die Gründe für eine Kündigung können häufige Kurz- oder Lang­zeit­er­kran­kun­gen, eine krank­heits­be­ding­te Minderung der Arbeits­fä­hig­keit und dau­er­haf­te Arbeits­un­fä­hig­keit sein.
  • Eine krank­heits­be­ding­te Kündigung muss immer das mildeste Mittel der Wahl sein.
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