27. Juli 2023, 10:31 Uhr
Durchatmen Rufbereitschaft: Arbeitszeit, Vergütung und Altersgrenze
In einigen Berufen wird eine Rufbereitschaft mit dem Arbeitgeber vereinbart. Dieses Modell ist besonders im medizinischen und im technischen Bereich im Rahmen von Tarifverträgen verbreitet und dem Bereitschaftsdienst nicht unähnlich. Wie es funktioniert und ob die Rufbereitschaft als Arbeitszeit zählt, erfährst du hier.
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Rufbereitschaft gilt nicht als Arbeitszeit
Grundsätzlich müssen Arbeitnehmer in ihrer Freizeit nicht erreichbar sein. Bei Rufbereitschaft sind Arbeitnehmer jedoch außerhalb der regulären Arbeitszeiten verpflichtet, für den Arbeitgeber erreichbar zu sein und die Arbeit bei Bedarf sofort aufnehmen zu können. Die Rufbereitschaft erfolgt freiwillig oder muss als entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarung im Arbeitsvertrag festgelegt sein, damit der Arbeitgeber Anspruch darauf hat.
Die Rufbereitschaft zählt nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) zur Ruhezeit, da du dich als Arbeitnehmer nicht am Arbeitsplatz aufhalten musst und dich frei bewegen kannst. Sie kann deshalb auch direkt im Anschluss an einen regulären Arbeitstag beginnen. Findet im Rahmen der Rufbereitschaft jedoch ein Arbeitseinsatz statt, zählt die hierfür anfallende Zeit inklusive der Fahrtzeit zum Arbeitsplatz als Arbeitszeit.
Da Rufbereitschaft keine Arbeitszeit ist, zählt sie nicht zur werktäglichen Höchstarbeitszeit, die nach § 3 ArbZG nicht länger als zehn Stunden sein darf. Deshalb sollte im Arbeitsvertrag festgehalten sein, wie oft im Monat maximal Rufbereitschaft zu leisten ist, um eine angemessene Work-Life-Balance zu gewährleisten.
Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft: Der Unterschied
Beim Bereitschaftsdienst müssen sich Arbeitnehmer am Arbeitsort oder in unmittelbarer Nähe befinden, um jederzeit einsatzbereit zu sein und bei Bedarf sofort mit der Arbeit beginnen zu können. Deshalb wird der Bereitschaftsdienst auch als vollwertige Arbeitszeit betrachtet und entsprechend vergütet. Bei der Rufbereitschaft muss der Arbeitnehmer nicht an der Arbeitsstätte sein – der Aufenthaltsort ist dem Arbeitgeber jedoch mitzuteilen. So gibt es § 7 Abs. 4 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) und des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vor.
Rufbereitschaft und Ruhezeit: Rechtlich schwierig
§ 5 ArbZG schreibt eine an die tägliche Arbeitszeit anschließende ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden vor – nicht zu verwechseln mit dem Ruhetag. Dadurch ergibt sich eine Konfliktsituation: Wird die Ruhezeit durch einen Arbeitseinsatz unterbrochen, handelt es sich beim Einsatz um Arbeitszeit. Im Anschluss daran haben Arbeitnehmer grundsätzlich erneut Anspruch auf die vollen elf Stunden Ruhezeit.
Beispiel:
Du arbeitest von 9 Uhr bis 18 Uhr mit einstündiger Mittagspause. Im Anschluss hast du Rufbereitschaft und wirst von 1 Uhr bis 3 Uhr nachts tatsächlich zu einem Einsatz gerufen. Da dieser Einsatz als Arbeitszeit zählt, musst du anschließend erneut eine elfstündige Ruhezeit einhalten. Du dürftest also frühestens um 14 Uhr wieder zur Arbeit gehen, wodurch dir selbst nach Abzug des Nachteinsatzes im Rahmen der Rufbereitschaft durch die Ruhezeit drei Minusstunden entstünden.
Tarifverträge, die Rufbereitschaft vorsehen, enthalten deshalb oft spezielle Klauseln: Diese verhindern, dass Unterbrechungen zu einem Neubeginn der Ruhezeit führen. Arbeitnehmer haben hierbei die Möglichkeit, die durch einen Einsatz verloren gegangene Ruhezeit an einem anderen Tag nachzuholen.
Rufbereitschaft: Vergütung nach Pauschale
In der Praxis ist Rufbereitschaft eine Mischung aus Ruhezeit und Arbeitszeit – solange der Arbeitnehmer nicht eingesetzt wird, arbeitet er nicht. Da er aber jederzeit mit einem Einsatz rechnen muss, kann er sich auch nicht völlig uneingeschränkt ausruhen. Entsprechend wird Rufbereitschaft vergütet: meist als Pauschale oder als fester Prozentsatz des regulären Stundenlohns.
Wenn der Arbeitnehmer allerdings im Rahmen der Rufbereitschaft eingesetzt wird, erfolgt die Vergütung als reguläre Arbeitszeit – gegebenenfalls mit Zuschlägen für Nachtarbeit oder Sonn- und Feiertage. Die Pauschale wird in einem solchen Fall zusätzlich gezahlt.
Es gibt keine gesetzliche Reaktionszeit bei Rufbereitschaft. Diese kann aber vom Arbeitgeber vorgegeben werden. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in verschiedenen Urteilen eine Reaktionszeit von 30 Minuten als üblich (AZ 6 AZR 214/00) und eine von 45 Minuten als großzügig bemessen (AZ 10 AZR 9/13) bezeichnet. Dabei handelt es sich jedoch um Einzelfallentscheidungen, die nicht auf jedes Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.
Darf man Rufbereitschaft ablehnen?
Verlangt dein Arbeitgeber von dir Rufbereitschaft, hast du je nach Ausgangssituation verschiedene Möglichkeiten, diese eventuell nicht leisten zu müssen.
Ist in deinem Arbeits- oder Tarifvertrag keine Rufbereitschaft vereinbart, bist du auch nicht dazu verpflichtet, diese zu leisten. Allerdings solltest du in diesem Fall den Vertrag einem Check unterziehen lassen und – sofern diese Prüfung länger dauert – der Anordnung zur Rufbereitschaft zunächst nachkommen, um auf der sicheren Seite zu sein.
Sieht dein Vertrag Rufbereitschaft vor, kommt es auf den Einzelfall an. Grundsätzlich kann Rufbereitschaft von allen Personengruppen ausgeführt werden, es gibt also keine kategorischen Ausschlussgründe: Auch eine Altersgrenze ist bei Rufbereitschaft nicht vorgesehen.
Möchtest du keine Rufbereitschaft leisten, kannst du dagegensprechende gesundheitliche Gründe anführen und beispielsweise ein Attest auf Befreiung vorbringen. Ob dies darin resultiert, dass ein einzelner Dienst oder Dienste zu bestimmten Uhrzeiten nicht geleistet werden müssen, hängt von der konkreten Situation ab. Ein Anspruch auf pauschale Befreiung von jeglicher Rufbereitschaft besteht jedoch nicht.
Wichtig zu wissen: Sind keinerlei Vereinbarungen über Rufbereitschaft in deinem Arbeitsvertrag enthalten und du lehnst eine Anfrage nach Rufbereitschaft ab, stellt dies keinen Kündigungsgrund dar. Auch bist du nicht verpflichtet, während deines Urlaubs Rufbereitschaft zu leisten.
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