20. Mai 2022, 11:30 Uhr
Darf ich eigentlich? Verhaltensbedingte Kündigung: Wann sie möglich ist
Schwere Pflichtverletzungen im Job können eine verhaltensbedingte Kündigung nach sich ziehen. Die rechtlichen Hürden dafür sind allerdings relativ hoch. Unter welchen Voraussetzungen eine verhaltensbedingte Kündigung möglich ist und wann einen Widerspruch dagegen sinnvoll ist, erfährst du in diesem Ratgeber.
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Verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung nur selten möglich
Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt üblicherweise nicht aus heiterem Himmel. Meist geht ihr ein länger schwelender Konflikt zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber voraus. Die verhaltensbedingte Kündigung gilt im Arbeitsrecht üblicherweise als letztes Mittel und unterliegt deshalb strengen rechtlichen Anforderungen.
Dazu gehören – als milderes Mittel – Abmahnungen, die die Betreffenden auf ihr Fehlverhalten aufmerksam machen. Damit sollen die Beschäftigten die Chance bekommen, künftig vertragsgemäß zu arbeiten und so eine Entlassung abzuwenden. Denn eine verhaltensbedingte Kündigung zieht in der Regel auch eine Sperrfrist von zwölf Wochen beim Arbeitslosengeld nach sich.
Meist gehen der verhaltensbedingten Kündigung daher eine oder mehrere Abmahnungen voraus. Gab es keine Abmahnung, kann es sein, dass ein Gericht die Kündigung als unwirksam wertet. Das gilt insbesondere, wenn Emotionen im Spiel waren und die Kündigung im Affekt erfolgte, ohne sie vorher auf Rechtmäßigkeit zu prüfen.
Aber auch ohne vorherige Abmahnung kann eine verhaltensbedingte Kündigung in bestimmten Fällen zulässig sein. Zum Beispiel, wenn jemand das Vertrauen des Arbeitgebers missbraucht hat – wie etwa beim Griff in die Betriebskasse oder vorsätzlichem Betrug bei der Spesenabrechnung.
Gründe für eine verhaltensbedingte Kündigung
Beschäftigte müssen sich gemäß ihren arbeitsvertraglich festgelegten Pflichten verhalten. Verstoßen sie dagegen, so können sie deshalb abgemahnt und/oder entlassen werden. Anlass für eine verhaltensbedingte Kündigung sind oft Verstöße, die ein Beschäftigter schuldhaft, also in der Regel vorsätzlich oder grob fahrlässig, begangen hat und für die es keine rechtfertigenden Umstände gibt.
Je nach Einzelfall sind zum Beispiel folgende Gründe für eine verhaltensbedingte Kündigung denkbar:
- vorsätzliche Arbeitsverweigerung oder Unpünktlichkeit
- „Krankfeiern”
- Arbeitszeitbetrug
- wiederholte bewusste Verstöße gegen ein Alkohol- oder Rauchverbot am Arbeitsplatz
- absichtliches Beschädigen oder Diebstahl von Firmeneigentum
- Mobbing oder Tätlichkeiten gegenüber Vorgesetzten oder im Kollegenkreis.
Arbeitgeber dürfen ausschließlich sachbezogene Gründe für eine verhaltensbedingte Kündigung heranziehen. Emotionale oder andere Motive gelten nicht. Kommt es zu juristischem Streit, erwarten die Gerichte, dass ein besonnener und verständig urteilender Arbeitgeber in der Situation ebenso gehandelt hätte.
Low Performer: Verhaltensbedingte Kündigung wegen schlechter Leistung?
Wie sieht es aber aus, wenn der Arbeitgeber schlicht nicht mit der Arbeitsleistung zufrieden ist? Damit er eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen kann, muss die schlechte Leistung auf eine bewusste Entscheidung des Angestellten zurückzuführen sein. Soll heißen: Theoretisch wäre dieser durchaus in der Lage, mehr zu leisten, er bleibt jedoch hinter seinen Möglichkeiten zurück. Wenn der Grund stattdessen in körperlichen oder geistigen Fähigkeiten begründet liegt, ist eine verhaltensbedingte Kündigung nicht möglich. Der Arbeitgeber kann in diesem Fall unter Umständen aber möglicherweise eine personenbedingte Kündigung aussprechen.
Zudem muss die betreffende Person eine deutlich schlechtere Leistung bringen als vergleichbare Kollegen. Das Arbeitsgericht Siegburg hatte in einem Fall zu entscheiden, in dem ein Kfz-Mechaniker Klage gegen eine verhaltensbedingte Kündigung erhoben hatte. Sein Arbeitgeber warf ihm vor, keine ausreichende Arbeitsleistung zu erbringen. Es waren bereits drei Abmahnungen erfolgt, nach denen der Arbeitgeber keine Verbesserung feststellen konnte.
Die Kündigungsschutzklage des Mechanikers war dennoch erfolgreich: Der Arbeitgeber habe nicht die Fehlerquote vergleichbarer Arbeitnehmer dargelegt. Dadurch sei nicht erkennbar, in welchem Umfang der Angestellte hinter der Durchschnittsleistung zurückgeblieben sei, entschied das Gericht (AZ 3 Ca 1305/17).
Verhaltensbedingte Kündigung muss verhältnismäßig sein
Sofern in dem Unternehmen das Kündigungsschutzgesetz greift, müssen die Interessen von Arbeitgeber und Beschäftigten gegeneinander abgewogen werden, bevor verhaltensbedingt gekündigt wird. Pluspunkte können Mitarbeitende hier beispielsweise mit einer langen Dauer der Betriebszugehörigkeit und einer bisher weißen Weste hinsichtlich ihres Verhaltens sammeln.
Grundsätzlich muss die Kündigung verhältnismäßig sein. Es sollten also alle milderen Mittel ausgeschöpft sein, von denen sich der Arbeitgeber realistisch eine Verhaltensänderung versprechen konnte – etwa eine Abmahnung oder eine Versetzung in eine andere Abteilung.
Außerdem muss die Entlassung sozial gerechtfertigt sein. Das ist sie meist, wenn die Belastung des Arbeitgebers durch das Fehlverhalten unzumutbar ist. Gegebenenfalls müssen aber vorab der Betriebsrat oder andere interne Institutionen (beispielsweise bei Schwerbehinderung oder Elternzeit) darüber unterrichtet werden.
Verhaltensbedingte Kündigung erhalten: Was tun?
Die Ansprüche an die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung sind hoch und nicht in jedem Fall erfüllt. So kommt es oft zu formalen oder verfahrenstechnischen Mängeln. Deshalb kann es sinnvoll sein, sich dagegen zu wehren. Für den Widerspruch gegen eine verhaltensbedingte Kündigung beziehungsweise eine entsprechende Kündigungsschutzklage hast du drei Wochen nach Eingang der Kündigung Zeit. Lässt du diese Frist verstreichen, akzeptierst du damit deine Entlassung.
Der Widerspruch gegen eine verhaltensbedingte Kündigung ist aus mehreren Gründen zu empfehlen:
- Du kannst damit womöglich deine Weiterbeschäftigung erreichen.
- Du kannst damit vielleicht eine Abfindung vereinbaren.
- Du kannst möglicherweise über eine andere Form der Kündigung verhandeln, die beispielsweise nicht verhaltens-, sondern alternativ betriebsbedingt begründet wird. In dem Fall gäbe es für dich keine Sperrfrist bei Arbeitslosengeld.
Am besten lässt du dich über deine Möglichkeiten von einem Experten oder einer Expertin für Arbeitsrecht beraten.
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