22. September 2022, 10:00 Uhr
Darf ich eigentlich? Arbeitszeiterfassung: Das müssen Arbeitnehmer wissen
In manchen Unternehmen gehört die Arbeitszeiterfassung zum beruflichen Alltag, in anderen tut sie das nicht. Ursache für diese unterschiedliche Handhabung ist, dass es in Deutschland bis jetzt keine generelle Pflicht dazu gab. Doch Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) erfordern eine Änderung der Gesetzeslage. Alles, was aktuell zur Arbeitszeiterfassung aus Sicht der Beschäftigten wichtig ist, erfährst du in diesem Ratgeber.
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Arbeitszeiterfassung wird zur Pflicht
Die vollständige – nicht nur auf Überstunden bezogene – Arbeitszeiterfassung wird in naher Zukunft zur Pflicht in Deutschland. Dies schrieb ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bereits 2019 für sämtliche Staaten der Europäischen Union vor (AZ C-55/18 – CCOO). Im September 2022 schloss sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) dieser Rechtsauffassung in einem konkreten Fall an (AZ 1 ABR 22/21).
Prinzipiell sind Arbeitgeber künftig also dazu angehalten, die Arbeitszeiten ihrer Angestellten zu erfassen. Von heute auf morgen wird dies in den meisten Fällen jedoch nicht geschehen. Wann genau ein Gesetz zur vollständigen Arbeitszeiterfassung im deutschen Recht verankert wird und wozu es die Arbeitgeber dann im Detail verpflichten wird, ist derzeit nicht abzusehen (Stand September 2022).
Arbeitszeiterfassung bisher nur bei Überstunden und Mehrarbeit
Die Arbeitszeiterfassung ist derzeit in § 16 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) geregelt. Dort heißt es: „Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 7 Abs. 7 eingewilligt haben. Die Nachweise sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren.”
Mit anderen Worten: Bisher sind Arbeitgeber lediglich dazu verpflichtet, die Mehrarbeit ihrer Mitarbeitenden zu erfassen. Arbeitest du länger als die zulässigen 48 Stunden Höchstarbeitszeit pro Woche (Montag bis Samstag) beziehungsweise über acht Stunden täglich hinaus, muss dein Arbeitgeber das festhalten. Abgesehen von anfallenden Überstunden sowie Mehrarbeit an Sonn- und Feiertagen ist Arbeitszeiterfassung auch unter den folgenden Umständen erforderlich:
- Kurzarbeit: Hier ist die Arbeitszeiterfassung Pflicht, damit die Agentur für Arbeit das Kurzarbeitergeld berechnen kann. Die Behörde darf die dokumentierten Arbeitszeiten einfordern.
- Mindestlohn: Ob der Mindestlohn eingehalten wird, kontrolliert die Zollverwaltung. Um das zu leisten, ist sie in diesem Rahmen auf die Arbeitszeiterfassung angewiesen. Bei Minijobs ist eine Zeiterfassung ebenso von Vorteil.
Für Beschäftigte ist die Kontrolle ihrer Arbeitszeit meist von großem Interesse. Denn so können sie beispielsweise Geld oder einen Freizeitausgleich für abgeleistete Überstunden einfordern. Deshalb sehen auch viele Betriebsvereinbarungen eine Arbeitszeiterfassung vor.
Sollte dein Unternehmen noch keine Arbeitszeiterfassung anwenden, solltest du bis zur verpflichtenden Einführung eines Arbeitszeitkontos selbst eine entsprechende Liste mit Überstunden oder Mehrarbeit führen. Besonders sinnvoll ist das, wenn du außerhalb deines Betriebs arbeitest (Home-Office) oder mit deinem Vorgesetzten Vertrauensarbeitszeit vereinbart hast.
Methoden der Arbeitszeiterfassung
Wie die Arbeitszeiterfassung zu erfolgen hat, ist per Gesetz noch nicht vorgeschrieben. Erlaubt und gebräuchlich sind beispielsweise:
- Dienstplan
- händisch auszufüllende Vordrucke (Stundenzettel)
- Stechuhren
- digitale Listen (z. B. Excel)
- Lesegeräte für Chipkarten
- Apps für mobile Endgeräte
Welche Form der Arbeitszeiterfassung sinnvoll ist, hängt jeweils vom Unternehmen ab. Für kleinere Betriebe können Stundenzettel und Stechuhren ausreichen. Größere Organisationen fahren meist mit einer elektronischen Zeiterfassung besser, weil sonst der bürokratische Aufwand zu groß wird. Welche Vorgaben das kommende Gesetz zur Art der Zeiterfassung machen wird, bleibt vorerst offen.
Arbeitszeiterfassung und Datenschutz
Wenn die verpflichtende Zeiterfassung flächendeckend eingeführt wird, stellt sich auch die Frage nach dem Datenschutz. Das betrifft in erster Linie personenbezogene Daten der Beschäftigten. Hier ist vor allem die folgende Bestimmung zu beachten:
- Laut § 26 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) dürfen Unternehmen Informationen über ihre Beschäftigten nur erfassen, sammeln, verarbeiten und verwenden, wenn dies für das Arbeitsverhältnis erforderlich ist.
Wenn Daten wie Arbeitszeiten vom Arbeitgeber erhoben werden, dürfen diese nur von dazu berechtigten Personen eingesehen werden und nur für einen bestimmten Zeitraum gespeichert werden. Dabei spielt es übrigens keine Rolle, ob die Daten digital oder analog erhoben und genutzt werden.
Die elektronische Arbeitszeiterfassung mittels biometrischer Daten wie beispielsweise einem Fingerabdruck oder Iris-Scan ist laut Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) prinzipiell nicht erlaubt, kann aber unter gewissen Umständen genutzt werden. Allerdings bedarf es hier der ausdrücklichen Zustimmung der Mitarbeitenden. So gab das Arbeitsgericht Berlin 2019 einer Angestellten Recht, die sich weigerte, einen Fingerabdruck-Scan als Zeiterfassungsmethode ihres Arbeitsgebers zu akzeptieren (AZ. 29 Ca 5451/19).
Insgesamt gilt: Daten zur Arbeitszeit, die über die werktägliche Höchstarbeitszeit hinausgehen, dürfen Unternehmen bis zu 2 Jahre lang aufbewahren. Demgemäß können auch Daten der erfassten Gesamtarbeitszeit bis zu 2 Jahre lang gespeichert werden.
Sollte sich dein Vorgesetzter nicht an die geltenden Datenschutzregeln halten, solltest du dich rechtlich beraten lassen.
- In Deutschland gibt es derzeit noch kein Gesetz, das die Erfassung der Arbeitszeit verpflichtend vorschreibt.
- Bis jetzt war die Zeiterfassung nur erforderlich, wenn Überstunden und Mehrarbeit anfielen.
- Nach Urteilen des EuGH und des BAG muss eine komplette Arbeitszeiterfassung demnächst im deutschen Recht verankert werden. Eine Frist zur Umsetzung gibt es allerdings nicht.
- Persönliche Daten, die im Zuge der Arbeitszeiterfassung erhoben werden, dürfen bis zu 2 Jahren gespeichert werden. Die Erhebung biometrischer Daten ist prinzipiell nicht zulässig.
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