3. März 2021, 10:50 Uhr
Durchatmen Zwangsurlaub: Wann der Arbeitgeber ihn anordnen darf
Zwangsurlaub ist nur unter bestimmten Bedingungen möglich. Der Arbeitgeber muss bei der Urlaubsplanung grundsätzlich die Wünsche der Arbeitnehmer berücksichtigen. Ausschließlich bei wichtigen Gründen darf der Chef für einen Teil des Jahresurlaubs bestimmen, wann dieser zu nehmen ist.
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Zwangsurlaub: Darf der Chef dich in den Urlaub schicken?
Wann du deinen jährlichen Erholungsurlaub nimmst, ist weitgehend deine Sache. Dafür sorgt § 7 Absatz 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Demnach sind bei der entsprechenden Planung die „Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen“.
Doch von dieser Regel gibt es im Arbeitsrecht Ausnahmen. Eine davon ist Zwangsurlaub. Sie greift, wenn „dringende betriebliche Belange“ es rechtfertigen können. In einem solchen Fall darf dein Chef dich ohne deine Zustimmung in den Zwangsurlaub schicken. Das kann er für die ganze Belegschaft anordnen oder – je nach betrieblicher Situation und Aufgabenverteilung – unter Umständen auch für einzelne Mitarbeiter.
Doch was sind dringende betriebliche Belange? Das lässt sich pauschal nicht beantworten, sondern hängt stark von der Branche beziehungsweise dem einzelnen Betrieb ab. Erlaubt ist Zwangsurlaub zum Beispiel bei Unternehmen, wenn sie …
- ein Saisonbetrieb sind.
- ohne Chef nicht betriebsfähig sind.
- in einer unerwarteten betrieblichen Krise stecken.
- einen Arbeits- oder Tarifvertrag beziehungsweise eine Betriebsvereinbarung haben, die das zulassen.
Typische Beispiele für solche Fälle sind Anwaltskanzleien und Arztpraxen. Dort ist es ebenso üblich wie gestattet, dass die Mitarbeiter gleichzeitig mit dem Anwalt oder mit der Ärztin Urlaub nehmen müssen. Für solche Phasen darf Zwangsurlaub in Form von Betriebsferien angeordnet werden. Kommen sie regelmäßig vor, sind sie meist schon im Arbeitsvertrag vereinbart.
Zwangsurlaub als Reaktion auf eine unerwartete Krise
Regelrechter Zwangsurlaub hingegen kommt eher unerwartet und plötzlich. Anlass kann eine unvorhersehbare Krise sein, die den Betrieb in seiner Existenz bedroht. Dazu kommt es beispielsweise, wenn ihm große Kunden wegbrechen oder seine Versorgung mit Rohstoffen ausfällt.
Allerdings ist Zwangsurlaub dann nicht immer das erste Mittel der Wahl. Bevor Arbeitgeber ihn anordnen, sollten sie andere Möglichkeiten prüfen. Dazu zählen beispielsweise
- Abbau von Überstunden oder anderen Formen von Zeitguthaben
- Entlassung von Leiharbeitern
- Verringerung der Arbeitszeit beziehungsweise Einführung von Kurzarbeit
- Einschränkung von Schichtarbeit
Gibt es einen Betriebsrat, muss dieser dem Zwangsurlaub zustimmen.
Wichtig: Zwangsurlaub ist nicht zulässig bei Auftragsflauten oder betrieblichen Störungen, die das Management zu verantworten hat. Solche Entwicklungen gehören zum wirtschaftlichen Risiko und dürfen nicht durch einseitige Urlaubsanordnung auf den Arbeitnehmer abgewälzt werden.
Zwangsurlaub in der Corona-Krise: Wann ist er zulässig?
Darf dein Chef wegen einer allgemeinen Krise wie der Corona-Pandemie Zwangsurlaub anordnen? In der Praxis ist dies vorgekommen: Über die Weihnachtsferien 2020/2021 wurden Unternehmen von Bund und Ländern sogar explizit gebeten, Homeoffice beziehungsweise Betriebsferien anzuordnen.
Viele Betriebe sind durch die Corona-Pandemie unverschuldet in ihrer Existenz gefährdet. Daher ist Zwangsurlaub in einem solchen Fall häufig als “dringender betrieblicher Belang” zu rechtfertigen. Vor allem dann, wenn andere Maßnahmen wie zum Beispiel Kurzarbeit nicht ausreichen, weil etwa der Betrieb oder eine Filiale vorübergehend ganz schließen müssen.
Wie viel Zwangsurlaub ist erlaubt?
Betriebsferien und Zwangsurlaub dürfen in der Regel nicht den kompletten persönlichen Urlaub verbrauchen: Nach geltender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist es angemessen, dass der Arbeitnehmer noch mindestens zwei Fünftel seines Jahresurlaubs dann nehmen kann, wann er möchte.
Unvorhergesehene Ereignisse mit grundlegenden Folgen für die gesamte Gesellschaft – wie etwa die Corona-Krise – könnten jedoch möglicherweise auch andere Regelungen rechtfertigen. Grundsatzurteile hierzu stehen noch aus (Stand: März 2021).
Nur in absoluten Ausnahmefällen ist es möglich, Arbeitnehmern bereits genehmigten Urlaub für das laufende Kalenderjahr wieder zu streichen und zu verlangen, dass der Urlaub stattdessen zu einem vom Arbeitgeber gewünschten Zeitpunkt genommen wird. Dazu muss der Mitarbeiter nachweislich unverzichtbar sein.
Urlaub bereits genommen – und nun?
Rechtlich verhält es sich beim Zwangsurlaub wie beim normalen genehmigten Erholungsurlaub: Der Gehaltsanspruch läuft unverändert weiter und die Urlaubstage werden vom Jahresurlaubskontingent abgezogen.
Wenn du bereits den überwiegenden Teil deiner Urlaubstage oder sogar deinen ganzen Jahresurlaub genommen hast und dein Arbeitgeber dann Zwangsurlaub anordnet, darf dir daraus kein Schaden entstehen. Dein Arbeitgeber darf gemäß § 7 BUrlG nicht verlangen, dass du dafür bereits Urlaubstage aus dem nächsten Jahr verwendest.
Hast du also im laufenden Kalenderjahr keine Urlaubstage mehr zur Verfügung und es wird Zwangsurlaub angeordnet, dann müsstest du theoretisch weiter arbeiten. Was aber, wenn das nicht möglich ist? Entscheidend könnte hier der Begriff „Annahmeverzug“ werden. Er bedeutet, dass du deine Arbeit zwar anbietest, dein Arbeitgeber sie aber nicht annimmt. Somit bist du nicht für die Situation verantwortlich. Fällt dann Arbeitszeit aus, gilt sie weder als Urlaub noch als Überstundenabbau. Du musst in diesem Fall bezahlt freigestellt werden. Allerdings kann dich dein Unternehmen ersatzweise ins Homeoffice abkommandieren, sofern dies sinnvoll und technisch machbar ist.
- Zwangsurlaub ist nur bei dringenden betrieblichen Belangen zulässig. Diese können in der Corona-Krise gegeben sein, wenn die Existenz des Unternehmens bedroht ist.
- Arbeitgeber müssen vor der Anordnung von Zwangsurlaub andere Optionen prüfen.
- Bereits genehmigter Urlaub darf nicht zugunsten von Zwangsurlaub gestrichen werden.
- Sind die Urlaubstage eines Arbeitnehmers schon aufgebraucht, darf der Arbeitgeber nicht den Urlaub des Folgejahres als Zwangsurlaub verplanen.
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