Alleiniges Sorgerecht beantragen: Wege und Bedingungen © iStock.com/max-kegfire

1. November 2023, 16:19 Uhr

So geht’s richtig Allei­ni­ges Sor­ge­recht bean­tra­gen: Gründe und Möglichkeiten

Wer für sein Kind alleiniges Sorgerecht beantragen möchte, muss dafür im Streitfall triftige Gründe vorbringen, denn die Rechte des anderen Elternteils dürfen dadurch nicht verletzt werden. Streiten sich Eltern um das alleinige Sorgerecht, ist vor allem das Kindeswohl ausschlaggebend. Wichtiges zu den Regelungen erfährst du hier.

Auch in turbulenten Lebenssituationen bist du mit unserem Rechtsschutz bestens abgesichert. >>

Was bedeutet allei­ni­ges Sorgerecht?

Unter elterlicher Sorge versteht man gemäß § 1626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Pflicht und das Recht der Eltern, für ihr minderjähriges Kind zu sorgen. Dabei müssen die Eltern „die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln“ berücksichtigen.

Grundsätzlich steht beiden Elternteilen das gemeinsame Sorgerecht für ihre Kinder zu. Paare, die bei Geburt ihres Kindes nicht miteinander verheiratet sind, können nach § 1626a BGB das gemeinsame Sorgerecht durch Heirat oder Abgabe einer Sorgerechtserklärung erhalten. Passiert das nicht, liegt das Sorgerecht automatisch allein bei der Mutter.

Allerdings können Elternteile, die beide sorgeberechtigt sind, nach einer Trennung oder Scheidung das alleinige Sorgerecht beantragen. Manche Elternteile möchten in einer solchen Situation auch von selbst das Sorgerecht abgeben.

Mit dem alleinigen Sorgerecht trägt ein Elternteil die Verantwortung für sämtliche Entscheidungen, die ansonsten von beiden Elternteilen gemeinsam getroffen werden. Das betrifft unter anderem den Aufenthaltsort, die schulische Bildung und medizinische Behandlungen des Kindes.

INFO

Wie bekomme ich die Beschei­ni­gung über allei­ni­ges Sorgerecht?

Bei Behörden oder in der Schule des Kindes kann ein Nachweis darüber erforderlich sein, dass ein Elternteil das alleinige Sorgerecht besitzt. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten:

  • Nega­tiv­be­schei­ni­gung: Die Nega­tiv­be­schei­ni­gung gibt es für Mütter, die seit Geburt des Kindes das alleinige Sor­ge­recht inne­hat­ten. Sie wird beim Jugendamt beantragt und dem Sor­ge­rechts­re­gis­ter entnommen.
  • Gerichts­ur­teil: Wurde das alleinige Sor­ge­recht im Rahmen eines Gerichts­ver­fah­rens über­tra­gen, genügt das Gerichts­ur­teil als Bescheinigung.

Gründe dafür, allei­ni­ges Sor­ge­recht zu beantragen

Familiengerichte sind grundsätzlich bestrebt, das gemeinsame Sorgerecht aufrechtzuerhalten, und lösen es nur in Ausnahmefällen auf. Allgemeine Streitigkeiten oder Unstimmigkeiten der Eltern stellen keine ausreichende Begründung dar.

Folgende Gründe können hingegen für eine Übertragung des alleinigen Sorgerechts sprechen:

  • Ein­ver­nehm­li­che Ver­ein­ba­rung: Beide Eltern können ein­ver­nehm­lich erklären, dass die Über­tra­gung des allei­ni­gen Sor­ge­rechts im besten Interesse des Kindes ist.
  • Kin­des­wil­le: Wenn das Kind das 14. Lebens­jahr vollendet hat und den Wunsch äußert, bei einem Eltern­teil zu leben, kann das berück­sich­tigt werden.
  • Kin­des­wohl­ge­fähr­dung: Darunter fallen bei­spiels­wei­se grobe Erzie­hungs­feh­ler, gefähr­li­ches Umfeld, kör­per­li­che oder seelische Miss­hand­lung, Gesund­heits­ge­fähr­dung, Ver­nach­läs­si­gung und Miss­ach­tung der Schulpflicht.
  • Miss­brauch des Kin­des­ver­mö­gens: Eltern dürfen zwar das Vermögen ihres Kindes – bei­spiels­wei­se Kin­der­geld – verwalten, aber nicht für eigene Zwecke missbrauchen.
  • Ver­wei­ge­rung des Umgangs­rechts: Auch nach einer Trennung haben Kinder und Eltern­tei­le Anspruch darauf, einander regel­mä­ßig zu sehen.

Der Antrag über das alleinige Sorgerecht wird umfassend durch das Familiengericht geprüft – die Entscheidung ist stets einzelfallabhängig.

INFO

Sor­ge­recht ist gesetz­lich geschützt

Nach Artikel 6 Abs. 2 Grundgesetz (GG) ist das Sorgerecht verfassungsrechtlich geschützt. Deshalb müssen entsprechend § 1666 BGB unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit auch mildere Mittel als der Sorgerechtsentzug in Betracht gezogen werden, wie der Bundesgerichtshof 2019 bekräftigt (AZ XII ZB 408/18).

© iStock.com/Sneksy

So läuft der Antrag auf allei­ni­ges Sor­ge­recht ab

Ein Antrag auf alleiniges Sorgerecht kann formlos beim zuständigen Familiengericht gestellt werden. Können sich beide Elternteile jedoch auf eine einvernehmliche Lösung einigen, ist das oft der einfachste Weg.

So ist beispielsweise auch eine Bevollmächtigung möglich, ohne dass das Sorgerecht selbst aufgegeben wird. So entschied der Bundesgerichtshof im April 2020 (AZ XII ZB 112/19). Hierbei bevollmächtigt einer der Elternteile den jeweils anderen damit, das Sorgerecht allein auszuüben. Dazu ist allerdings von Seiten beider Elternteile große Kooperationsbereitschaft nötig.

Konkret ist die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf einen Elternteil in § 1671 BGB geregelt. Sind folgende Voraussetzungen erfüllt, kann es erteilt werden:

  • Die Eltern leben dauerhaft getrennt.
  • Der andere Eltern­teil stimmt dem Antrag zu.

Ist das Kind bereits 14 Jahre oder älter, kann es unter Umständen widersprechen. Der Kindeswille kann jedoch nur berücksichtigt werden, wenn er nicht dem Kindeswohl widerspricht.

Entsprechend entschied das Oberlandesgericht München 2013 in einem Fall, in dem beide Eltern um das alleinige Sorgerecht stritten. Die 14-jährige Tochter wünschte sich, zum in den USA lebenden Vater umzuziehen. Diesem Wunsch entsprach das Gericht nicht (AZ 2 UF 1230/13). Wichtiger sei in diesem Fall das Kriterium der Kontinuität in Bezug auf Lebensumstände und dauerhafte soziale Bindungen. Dies könne die Mutter in Deutschland eher gewährleisten, so das Gericht.

Allei­ni­ges Sor­ge­recht: Vorteile und Nachteile

War der Antrag auf alleiniges Sorgerecht erfolgreich, werden die Personen- und Vermögenssorge sowie das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind einem Elternteil allein übertragen. Diese Rechte gelten unabhängig davon, ob das alleinige Sorgerecht der Mutter oder dem Vater zugesprochen wurde.

Das bringt organisatorische Vorteile und Entscheidungsfreiheit mit sich. Bei gemeinsamem Sorgerecht können bei zerstrittenen Eltern schnell Spannungen aufkommen, beispielsweise, wenn es um die Urlaubsplanung geht.

Dem anderen Elternteil bleiben in der Regel nur ein Umgangsrecht und ein Auskunftsrecht. Tatsächliche Entscheidungen im Hinblick auf Betreuung darf der Elternteil ohne Sorgerecht nach § 1687a BGB nur dann treffen, wenn sich das Kind beispielsweise im Rahmen des vereinbarten Umgangskontakts bei ihm aufhält. Bestimmte Befugnisse können bei Bedarf allerdings durch das Familiengericht eingeschränkt werden.

Übrigens hat der Elternteil, dem das alleinige Sorgerecht zugesprochen wurde, Anspruch auf Unterhalt. Das liegt darin begründet, dass das Kind dauerhaft bei diesem Elternteil lebt und dieser seine Unterhaltspflicht durch die elterliche Sorge bereits erbringt.

© iStock.com/doble-d

Zer­strit­te­ne Eltern: Kin­des­wohl­prin­zip entscheidend

Möchte ein Elternteil die Übertragung der elterlichen Sorge beantragen, der Ex-Partner ist damit jedoch nicht einverstanden, muss das Familiengericht entscheiden. Dieses wird dem Antrag nur stattgeben, wenn es zu der Einschätzung kommt, dass die Sorgerechtsübertragung dem Kindeswohl am besten entspricht.

Alle Informationen zu der privaten Rechtsschutzversicherung von ADVOCARD

In einem solchen Fall ist es auch ratsam, dem Antrag eine ausführliche schriftliche Begründung mit stichhaltigen Argumenten beizulegen. Und obwohl das alleinige Sorgerecht ohne Anwalt beantragt werden kann, empfiehlt sich in dieser Situation die Suche nach einem Rechtsbeistand.

Wichtig zu wissen: Beantragen beide Elternteile alleiniges Sorgerecht, muss das Gericht neben dem Kriterium der Kontinuität auch berücksichtigen, an welchen Elternteil das Kind stärker gebunden ist und wer das Kind in seiner Entwicklung besser fördern kann. Zur Entscheidungsfindung im Verfahren um alleiniges Sorgerecht kann das Familiengericht auch andere Stellen einbeziehen, beispielsweise das Jugendamt.

Ab einem Alter von ungefähr drei Jahren wird von Kindern angenommen, dass sie zu einer eigenen Willensäußerung imstande sind. Ist das der Fall, kann es einen Verfahrensbeistand erhalten und ebenfalls angehört werden.

Artikel teilen

Bitte lesen Sie zu dem Inhalt auch unsere Rechtshinweise.

So einfach ist Rechtsschutz

Ein Rechtsstreit, ganz gleich in welchem Bereich, kommt oft unverhofft. Darum hat ADVOCARD mit dem 360°-Rechtsschutz einen besonders leistungsstarken Rundumschutz geschaffen.

Mehr erfahren

Mediation

Vertragen statt klagen: mit Mediation rechtliche Konflikte ohne Gerichts­ver­fahren lösen.

Strei­tatlas

Streit in Berlin? Zoff in München? Der interaktive Atlas zeigt, wo die deutschen Streithähne leben.

ADVOCARD-Service

Kompetente Beratung und professionelle Unterstützung rund um die Uhr.