29. Januar 2019, 14:50 Uhr
Grundsatzurteil Aufklärung vor Lebendspende: BGH stärkt Organspender-Rechte
Vor einer Lebendspende von Nieren oder anderen Organen muss die Aufklärung über mögliche Risiken umfassend sein. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil klargestellt. Der BGH gab damit zwei Klägern recht, die jeweils nach einer Lebendorganspende nun selbst gesundheitlich stark beeinträchtigt sind (AZ VI ZR 495/16 und VI ZR 318/17).
Das heißt: Unterläuft dem zuständigen Arzt ein Aufklärungsfehler, können Organspender künftig im Schadensfall Ersatzansprüche geltend machen.
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Kläger nach Lebendspende chronisch erschöpft
Die beiden Kläger, ein Mann und eine Frau, hatten vor einigen Jahren jeweils einem erkrankten Familienangehörigen eine Niere gespendet. Seitdem leiden die Organspender unter chronischer Erschöpfung und sind zu einem normalen Tagesablauf nicht mehr in der Lage. Sie werfen den behandelnden Ärzten Aufklärungsfehler vor: Die Informationen, die sie vor der Lebendspende über mögliche Risiken bekommen hätten, seien unzureichend gewesen.
Bisher waren die Kläger vor Gericht erfolglos geblieben. Der BGH hob jedoch die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und verwies die beiden Fälle zurück an das Oberlandesgericht Hamm. Dort müssen die Richter nun festlegen, wie hoch der Schadensumfang genau ist – also, wie viel Schadenersatz die Organspender erwarten können.
Vorgaben "bewusst streng formuliert" und unbedingt einzuhalten
Das Transplantationsgesetz (TPG) enthält genaue Vorgaben zur Aufklärung potenzieller Organspender. Für Lebendspenden sind diese in § 8 TPG noch einmal besonders verschärft. Darauf verwies der BGH und fügte an, die Vorgaben seien "bewusst streng formuliert" und dienten auch dem "Schutz des Spenders vor sich selbst". Sie einzuhalten und vor der Spende umfassend aufzuklären, sei unabdingbar, um die Bereitschaft potenzieller Organspender weiterhin zu fördern.
BGH stellt Aufklärungsmängel fest
Der BGH betonte, dass es im Fall der beiden Kläger inhaltliche Aufklärungsmängel gegeben habe. Beide seien nicht ordnungsgemäß darüber informiert worden, welche gesundheitlichen Folgen die Lebendspende für sie haben könne. So seien etwa die Nierenfunktionswerte des Mannes, der seiner Ehefrau eine Niere gespendet hatte, bereits vor dem Eingriff niedrig gewesen. Die Einwilligung der Betroffenen sei daher unwirksam und die Eingriffe somit rechtswidrig.
Das Berufungsgericht hatte die Klagen seinerzeit abgewiesen und argumentiert, es sei aufgrund bestimmter Äußerungen davon auszugehen, dass die Kläger auch bei besserer Aufklärung ihre Einwilligung in die Organspende gegeben hätten. Die Richter des BGH ließen hier die Grundsätze der sogenannten hypothetischen Einwilligung aber nicht gelten: Diese seien nicht auf Lebendspenden übertragbar.
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