16. Februar 2017, 15:22 Uhr
Anspruch auf Sozialleistungen Behindertentestament nicht sittenwidrig: Urteil zum Vorerbe
Das Behindertentestament, das ein vermögendes Elternpaar errichtet hat, ist nicht sittenwidrig, nur weil es dem behinderten Sohn als Vorerben weiterhin den Zugang zu Sozialleistungen ermöglicht. So hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem aktuellen Fall entschieden (AZ 10 U 13/16) und damit ein erstinstanzliches Urteil bestätigt. Der zuständige Sozialhilfeträger hatte vergeblich gegen das Testament geklagt und verlangt, es für nichtig zu erklären.
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Der erwachsene Sohn, eines von drei Kindern des Paares, leidet unter dem Down-Syndrom. Er lebt in einem Wohnheim und bezieht staatliche Leistungen zur Unterstützung bei seinem Lebensunterhalt. Die vermögenden Eltern errichteten im Jahr 2000 ein sogenanntes Behindertentestament mit dem Ziel, dem Sohn den Anspruch auf Sozialleistungen auch im Erbfall zu erhalten. Um dies zu gewährleisten, wurde der Sohn als Vorerbe eingesetzt und für seine Erbteile eine Dauertestamentsvollstreckung angeordnet. Bis zu seinem eigenen Tod erhält der Sohn demnach vom Testamentsvollstrecker in regelmäßigen Abständen jeweils nur so viel Geld ausgezahlt, dass ihm der Anspruch auf staatliche Leistungen nicht verloren geht. Die übrigen Angehörigen wurden als Nacherben eingesetzt und erhalten im Todesfall des Sohnes seine verbliebenen Erbteile.
Nachdem im Jahr 2010 die Mutter verstorben war, entfiel auf den Sohn ein Erbteil in Höhe von 930.000 Euro. Der Sozialhilfeträger erhob daraufhin Klage und vertrat die Ansicht, dass das vorliegende Behindertentestament sittenwidrig und damit ungültig sei. Somit stünde dem Sohn direkt der Erbteil in voller Höhe zu, und er sei daher nicht mehr berechtigt, Sozialleistungen zu erhalten. Der Sozialhilfeträger scheiterte damit jedoch sowohl in erster Instanz als auch im Berufungsverfahren vor dem OLG Hamm.
Die Richter urteilten, dass das vorliegende Behindertentestament nicht sittenwidrig und der Sohn damit wirksam als Vorerbe eingesetzt worden sei. Das Testament genüge dem Pflichtteilsrecht, und auch die von den Eltern bestimmte Erbfolge mit Vorerben und Nacherben sei rechtskonform und nicht sittenwidrig. Zudem habe die angeordnete Testamentsvollstreckung keine sittenwidrige Zielsetzung: Sie sollte sicherstellen, dass der Erbteil dem Sohn dauerhaft erhalten bleibt und so unter anderem bestimmte Therapien finanziert werden können, für die der Sozialhilfeträger nicht aufkommt.
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