Gemeinsames Sorgerecht: Rechte und Pflichten der Eltern © Fotolia/vvvita

19. Oktober 2021, 8:35 Uhr

So geht’s richtig Gemein­sa­mes Sor­ge­recht: Rechte und Pflichten der Eltern

Gemeinsames Sorgerecht bedeutet: Beide Elternteile kümmern sich gleichberechtigt um ihr Kind. Das gilt im Regelfall auch nach einer Trennung: die Ex-Partner müssen in Bezug auf ihr Kind weiterhin gemeinsame Entscheidungen treffen. Dabei kommt es nicht selten zu Meinungsverschiedenheiten – etwa, wenn es um einen Umzug geht. Hier liest du, wie die gesetzlichen Regelungen sind.Alle Informationen zu der privaten Rechtsschutzversicherung von ADVOCARD

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Was bedeutet “gemein­sa­mes Sorgerecht”?

Eltern, die das gemeinsame Sorgerecht haben, treffen alle Entscheidungen, die ihr Kind betreffen, gleichberechtigt. § 1627 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestimmt hierzu:

“Die Eltern haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen.”

Beide Eltern sind in diesem Fall sowohl berechtigt als auch verpflichtet, die Personensorge für ihr Kind auszuüben. Die beinhaltet unter anderem das Aufenthaltsbestimmungsrecht, aber auch viele andere wichtige Entscheidungen – begonnen bei der Namensgebung über die Pflege, Erziehung, Freizeitgestaltung und Gesundheitsfürsorge bis hin zur Frage, welche Schule das Kind besuchen und welche Religion es haben soll.

Die elterliche Sorge umfasst auch die Vermögenssorge – also das Recht auf Verwaltung aller Vermögenswerte, die das minderjährige Kind besitzt – und die gesetzliche Vertretung für das Kind.

Die Unterhaltspflicht ist in der Regel nicht vom gemeinsamen Sorgerecht abhängig. Hier kommt es nur darauf an, bei welchem Elternteil das Kind sich überwiegend aufhält.

 

Unver­hei­ra­te­te Eltern können gemein­sa­mes Sor­ge­recht beantragen

Wenn Mutter und Vater des Kindes miteinander verheiratet sind, erhalten sie das gemeinsame Sorgerecht automatisch, sie müssen es also nicht extra beantragen.

Bei unverheirateten Elternpaaren hat per Gesetz zunächst nur die Mutter das Sorgerecht für das Kind. So können die Eltern gemeinsames Sorgerecht beantragen:

  • Zuerst muss der Mann offiziell die Vater­schaft aner­ken­nen. Das geht auch schon vor der Geburt des Kindes, zum Beispiel beim Jugendamt.
  • Anschlie­ßend müssen die Eltern gemeinsam eine Sor­ge­er­klä­rung Das geht auch beim Jugendamt oder über einen Notar.
Junge Familie mit Baby sitzt auf dem Boden.

© istock.com/monkeybusinessimages

Lehnt die Mutter ein gemeinsames Sorgerecht ab, dann kann der Vater sich gerichtlich dagegen wehren. Seit 2013 ist dies in einem vereinfachten Verfahren vor dem Familiengericht möglich. Im Prinzip gilt dabei: Kann die Mutter keine triftigen Gründe nennen, die gegen ein gemeinsames Sorgerecht sprechen, so wird dieses erteilt.

Bei gleichgeschlechtlichen Paaren ist der Weg zum gemeinsamen Sorgerecht derzeit komplizierter, auch wenn sie verheiratet sind. Mutter ist nach aktueller Gesetzeslage zum Beispiel ausschließlich die Frau, die das Kind geboren hat (§ 1591 BGB). Ihre Ehepartnerin erhält nicht automatisch ebenfalls das Sorgerecht, sondern muss das Kind vorher adoptieren. Es gibt mittlerweile Pläne, die Gesetze anzupassen. Auch auf eine richterliche Grundsatzentscheidung in dieser Frage warten viele gleichgeschlechtliche Paare noch (Stand: Oktober 2021).

 

Was passiert mit dem gemein­sa­men Sor­ge­recht bei einer Trennung?

Wenn die Eltern ein gemeinsames Sorgerecht haben, bleibt es grundsätzlich nach einer Trennung oder Scheidung bestehen. Damit sie sich aber nicht laufend bei jeder kleinen Alltagsentscheidung miteinander abstimmen müssen, gibt es nach § 1687 BGB die gesetzliche Unterscheidung zwischen

  • Ange­le­gen­hei­ten des täglichen Lebens” – hier darf der Eltern­teil, bei dem das Kind gerade ist, allein entscheiden –,
  • und “Ange­le­gen­hei­ten von erheb­li­cher Bedeutung”, bei denen die Eltern gemeinsam ent­schei­den müssen.

Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sind zum Beispiel ein schwerwiegender medizinischer Eingriff oder ein Schulwechsel. Auch bei alltäglichen Entscheidungen wie der Frage, wie lange das Kind fernsehen darf oder wie es sich ernährt, sollten sich die Eltern aber sinnvollerweise grundsätzlich einig sein – zum Wohle des Kindes und auch, um keinen Streit mit dem Ex-Partner zu provozieren.

Ein häufiges Streitthema: Darf mein(e) Ex mit dem Kind in den Urlaub fahren, ohne mich vorher zu fragen, ob ich einverstanden bin? Mehr dazu liest du in diesem Streitlotse-Ratgeber. >>

 

Gemein­sa­mes Sor­ge­recht: Umzug ist eine bedeu­ten­de Entscheidung

Ein Umzug des Kindes an einen anderen Wohnort ist oft eine weitreichende Entscheidung: besonders, wenn er mit einem Schulwechsel verbunden ist und es dem anderen Elternteil erschwert, das Kind weiter regelmäßig zu sehen. Daher darf der Elternteil, der Umzugspläne für sich und das Kind hat, den Wohnortwechsel nicht allein entscheiden. Bei gemeinsamem Sorgerecht muss er den Ex-Partner vorher fragen, ob dieser einverstanden ist. Denn das Aufenthaltsbestimmungsrecht haben in diesem Fall immer noch beide Eltern.

Wenn sich die Eltern nicht einig werden, muss ein Familiengericht entscheiden, welchem Eltern für diesen Fall das Aufenthaltsbestimmungsrecht erteilt wird.

Vater und Tochter liegen im Gras.

© istock.com/svetikd

 

Infor­ma­ti­ons­pflicht: Was müssen die Eltern einander über das Kind mitteilen?

Für Streit kann auch dieses Szenario sorgen: Das Kind lebt überwiegend bei einem Elternteil und dieser hält sich dem Ex-Partner gegenüber mit Informationen sehr bedeckt. Zum Beispiel: Wie läuft es in der Schule, was unternimmt das Kind in der Freizeit und wie geht es ihm gesundheitlich? Wer sich schlecht informiert fühlt, fragt sich dann: Hat mein(e) Ex eigentlich eine Informationspflicht mir gegenüber?

Grundsätzlich ja: Gemäß § 1686 BGB kann jeder Elternteil vom anderen Auskünfte über die “persönlichen Verhältnisse” des Kindes verlangen, wenn das dem Kindeswohl nicht widerspricht. Dabei ist es sogar unerheblich, ob die Eltern gemeinsames Sorgerecht haben oder nicht.

Welche Informationen das aber genau umfasst und wie häufig und detailliert berichtet werden muss, ist gesetzlich nicht weiter definiert. Deshalb landen Auseinandersetzungen über die Informationspflicht häufiger vor Gericht. Einige Entscheidungen dazu:

  • Einig ist sich die Recht­spre­chung im Wesent­li­chen darüber, dass ein Eltern­teil dem anderen Auskunft über den Gesund­heits­zu­stand und die schu­li­schen Leis­tun­gen des Kindes erteilen muss, zum Beispiel in Form von Zeug­nis­ko­pien. In diesem Sinne haben schon mehrere Gerichte geurteilt.
  • Es ist grund­sätz­lich auch nicht zu viel verlangt, wenn ein getrennt lebender Eltern­teil regel­mä­ßig – zum Beispiel alle paar Monate – ein aktuelles Foto des Kindes sehen möchte. So entschied das Ober­lan­des­ge­richt Hamm (AZ 2 UF 84/09).
  • Eine Absage erteilte das Ober­lan­des­ge­richt Frankfurt am Main 2011 aber einem Vater, der sehr umfang­rei­che For­de­run­gen an seine Ex-Partnerin stellte: “Die Berichte sollen einen groben Überblick über das Leben des Kindes bieten, nicht aber eine detail­lier­te Schil­de­rung des gesamten Tages­ab­laufs”, so das Gericht in seiner Urteils­be­grün­dung (AZ 6 UF 193/11).

 

Zer­strit­te­ne Eltern: Gemein­sa­mes Sor­ge­recht auf dem Prüfstand

Wenn die Eltern nach der Trennung unüberwindbar zerstritten sind oder einer der beiden den Kontakt zu Ex-Partner und Kind weitgehend abbricht, wird es meist unmöglich, in wichtigen Punkten zu gemeinsamen Entscheidungen zu gelangen. Stellt sich heraus, dass dadurch auf Dauer das Kindeswohl gefährdet ist, dann kann ein Familiengericht entscheiden, einem Elternteil das alleinige Sorgerecht zu übertragen.

Unter bestimmten Umständen kann es auch eine gute Lösung sein, dass ein Elternteil freiwillig das Sorgerecht abgibt.

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