Kurzzeitige Arbeitsverhinderung wegen Pflege: Deine Rechte © iStock.com/KatarzynaBialasiewicz

15. Juni 2022, 11:42 Uhr

Darf ich eigentlich? Kurz­zei­ti­ge Arbeits­ver­hin­de­rung wegen Pflege: Deine Rechte

Wenn einer deiner nahen Angehörigen akut pflegebedürftig wird, hast du als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer das Recht auf eine kurzzeitige Freistellung. Bis zu zehn Tage lang hast du Zeit, um die weitere Pflege des Familienmitglieds zu organisieren. Doch wie beantragst du die Freistellung – und bekommst du währenddessen weiterhin Gehalt? Alles, was du über die kurzzeitige Arbeitsverhinderung wissen solltest.

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Kurz­zei­ti­ge Arbeits­ver­hin­de­rung: 10 Tage Frei­stel­lung möglich

Ein Schlaganfall oder ein schwerer Unfall passiert – und plötzlich ist ein Familienmitglied auf Pflege angewiesen. Berufstätigen Angehörigen stellt sich dann die Frage: Woher nehme ich so kurzfristig die Zeit, um mich der erkrankten Person zu widmen und die Pflege zu organisieren? Gibt es so etwas wie kurzfristigen Sonderurlaub für pflegende Angehörige?

Gemäß § 2 Pflegezeitgesetz (PflegeZG) hast du einen rechtlichen Anspruch darauf, dich in dieser Situation kurzzeitig von der Arbeit freistellen zu lassen bis zu zehn Tage lang. Dies dient nur der Planung und Orientierung im Akutfall, nicht der dauerhaften Pflege.

Die Freistellung soll es Angehörigen unter anderem ermöglichen, Gespräche mit Ärzten zu führen, Hilfsmittel zu beschaffen oder notwendige Anträge bei Behörden zu stellen. Zudem können die häusliche Pflege oder ein Platz im Pflegeheim organisiert werden. Berufstätige Angehörige können sich während der kurzzeitigen Freistellung auch überlegen, ob sie eine längerfristige Pflegezeit von bis zu sechs Monaten beantragen können und wollen.

Der Anspruch auf Freistellung besteht pro pflegebedürftiger Person, das heißt: Angenommen, es erkrankt kurz darauf ein weiterer Angehöriger akut, kannst du weitere zehn Tage Arbeitsverhinderung geltend machen. Es ist außerdem möglich, dass mehrere berufstätige Angehörige die zehn Freistellungstage untereinander aufteilen.

Unter welchen Vor­aus­set­zun­gen habe ich Anspruch auf die Freistellung?

Den Anspruch auf die Freistellung für bis zu zehn Tage hat im akuten Fall grundsätzlich jeder Arbeitnehmer – auch Auszubildende –, unabhängig von der Betriebsgröße. Er besteht aber ausdrücklich nur, wenn es sich bei der pflegebedürftigen Person um einen „nahen Angehörigen” handelt. Welche Angehörige dies betrifft, bestimmt § 7 Pflegezeitgesetz. Dazu zählen unter anderem:

  • die eigenen Groß­el­tern, Eltern und Schwiegereltern,
  • Ehe­part­ner, ein­ge­tra­ge­ne Lebens­part­ner oder Partner, mit denen man ohne Trau­schein zusammenlebt,
  • die eigenen Geschwis­ter, deren Ehe- oder Lebens­part­ner sowie die Geschwis­ter des Ehe- oder Lebens­part­ners und
  • die eigenen Kinder, Schwie­ger­kin­der und Enkelkinder.

Nicht als nahe Angehörige gelten nach dieser Definition zum Beispiel Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen. Wird einer dieser Angehörigen akut pflegebedürftig, haben Arbeitnehmer also kein gesetzlich verbrieftes Recht auf Freistellung. Allerdings können sie in diesem Fall versuchen, mit dem Arbeitgeber eine Lösung auf freiwilliger Basis zu finden – zum Beispiel durch Urlaub oder unbezahlten Urlaub.

Ein Anspruch auf Freistellung besteht außerdem nur, wenn bereits feststeht oder zumindest davon auszugehen ist, dass dem betroffenen Angehörigen ein Pflegegrad bescheinigt wird.

Mehr zum Thema Pflege von Angehörigen erfährst du auf unserer Themenseite "Pflege". >>

Eine Person hat die Hände einer zweiten Person fürsorglich zwischen ihre Hände genommen. Der Fokus des Bildes liegt auf den Händen.
© iStock.com/Choreograph

Kurz­zei­ti­ge Frei­stel­lung: Wie beantrage ich Kurz­zeit­pfle­ge beim Arbeitgeber?

Sobald der akute Pflegefall eingetreten ist, solltest du deinem Arbeitgeber sofort mitteilen,

  • dass du die kurz­zei­ti­ge Arbeits­ver­hin­de­rung wegen Pflege in Anspruch nimmst
  • und für wie viele Tage du aus diesem Grund vor­aus­sicht­lich nicht arbeiten kannst.

Ein schriftlicher Antrag ist üblicherweise nicht notwendig, denn in der Regel hast du ja Anspruch auf die Freistellung, sofern die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Der Arbeitgeber darf aber gemäß § 2 Pflegezeitgesetz eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des Angehörigen verlangen.

Gut zu wissen: Du musst die zehn Tage nicht am Stück freinehmen, aber es muss an jedem Freistellungstag weiter eine “akute Pflegesituation” bestehen. Ist die pflegebedürftige Person inzwischen zum Beispiel in einem Pflegeheim untergebracht, besteht in der Regel kein Anlass mehr für eine kurzzeitige Arbeitsverhinderung.

 Wird mein Gehalt während der Frei­stel­lung weiter gezahlt?

Die kurzzeitige Arbeitsverhinderung zählt nicht als Urlaub, sondern als unentgeltliche Freistellung. Das bedeutet, dass du für diese Zeit in der Regel kein Gehalt bekommst. Das Pflegezeitgesetz regelt nur den Anspruch auf Freistellung, nicht aber denAnspruch auf Vergütung während dieses Zeitraums. Trotzdem kann dieser Anspruch gegeben sein, zum Beispiel durch einsprechende Regelungen im Arbeits- oder Tarifvertrag.

Möglich ist auch ein Anspruch auf Weiterzahlung des Gehalts gemäß § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), „Vorübergehende Verhinderung”. Demzufolge haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn sie aus persönlichen Gründen, die nicht selbst verschuldet sind, „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit” nicht arbeiten können. Hier ist es aber wiederum Auslegungssache, wie lang eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit” ist. Ein einzelner Ausfalltag ist davon in der Regel immer abgedeckt, zehn Tage könnten den Rahmen der Verhältnismäßigkeit aber sprengen.

Das bedeutet: Wer kein vertraglich vereinbartes Recht auf Fortzahlung seines Gehalts hat, ist bei einer zehntägigen Pflege-Freistellung in der Regel auf die Kulanz des Arbeitgebers angewiesen.

Kein Gehalt? Dann besteht Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld

Wer während der kurzzeitigen Freistellung zur Pflege von Angehörigen definitiv kein Gehalt erhält, hat Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld gemäß § 44a Elftes Sozialgesetzbuch (SGB XI). Teilen mehrere Personen die zehn möglichen Freistellungstage, dann teilt sich zwischen ihnen auch der Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld entsprechend auf.

Die Brutto-Höhe des Pflegeunterstützungsgeldes liegt in der Regel bei 90 Prozent des tatsächlich wegfallenden Nettogehalts, gedeckelt allerdings durch die Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung. Hast du in den letzten zwölf Monaten eine sozialversicherungspflichtige Einmalzahlung erhalten – zum Beispiel Urlaubs- oder Weihnachtsgeld –, entspricht das Brutto-Pflegeunterstützungsgeld 100 Prozent des ausgefallenen Nettogehalts.

Pflegeunterstützungsgeld beantragst du bei der Pflegekasse oder privaten Pflegeversicherung des Pflegebedürftigen. Dem Antrag muss ein ärztliches Attest beigelegt werden.

FAZIT
  • Wird ein naher Ange­hö­ri­ger akut pfle­ge­be­dürf­tig, haben Arbeit­neh­mer das Recht, sich zwecks Planung und Orga­ni­sa­ti­on der Pflege bis zu zehn Tage von der Arbeit frei­stel­len zu lassen.
  • Ein Anspruch auf Fort­zah­lung des Gehalts während der Frei­stel­lung besteht in der Regel nur, wenn dies aus­drück­lich ver­trag­lich geregelt ist.
  • Wer sich unbezahlt frei­stel­len lassen muss, kann für die Dauer der Frei­stel­lung Pfle­ge­un­ter­stüt­zungs­geld beantragen.
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