Pflicht zu Elternunterhalt: Wer muss wann zahlen? © iStock.com/FredFroese

27. Oktober 2022, 8:30 Uhr

So geht´s richtig Pflicht zu Eltern­un­ter­halt: Wer muss wann zahlen?

Im Alter kann es sein, dass Eltern auf die Hilfe ihrer erwachsenen Kinder angewiesen sind – auch finanziell. Kinder sind prinzipiell zum sogenannten Elternunterhalt verpflichtet. Doch hierbei gibt es Einschränkungen und Ausnahmen, denn schließlich muss der Verdienst der Kinder auch für ihren eigenen Lebensunterhalt reichen. Wer überhaupt Elternunterhalt leisten muss und was es mit Schonvermögen und Selbstbehalt auf sich hat, erfährst du hier.

Alle Informationen zu der privaten Rechtsschutzversicherung von ADVOCARD

Gut vorbereitet auf den Ernstfall mit Betreuungsverfügung und weiteren Dokumenten  – der ADVOCARD-Vorsorge-Generator hilft dir dabei. >>

Was ist Eltern­un­ter­halt und wer muss ihn zahlen?

Werden Eltern im Alter bedürftig und können ihren Lebensunterhalt oder die Pflege nicht aus eigenem Vermögen oder Einkommen bestreiten, sind prinzipiell die erwachsenen Kinder in der Pflicht. Sie unterliegen per Gesetz einer grundsätzlichen Unterhaltspflicht: Im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten müssen Kinder gemäß §§ 1601 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für den Unterhalt der Eltern sorgen.

Das betrifft zum Beispiel den Unterhalt für Eltern im Pflegeheim. Bei der Unterbringung fallen monatliche Ausgaben für Pflege, Kost und Logis an, die sich aus den Leistungen der Pflegeversicherung und der Rente allein oftmals nicht decken lassen. Zwar sind Kinder dann grundsätzlich zum Elternunterhalt verpflichtet, aber nicht in jedem Fall. Ob die Nachkommen wirklich zahlen müssen, hängt gemäß § 1603 BGB davon ab, ob sie “leistungsfähig” sind, also ob ihnen auch nach Zahlung des Unterhalts noch genügend Geld für den eigenen Lebensunterhalt bleibt.

Seit 1. Januar 2020 gilt das Angehörigen-Entlastungsgesetz. Es bestimmt: Nur bei einem jährlichen Bruttoeinkommen von mindestens 100.000 Euro muss Elternunterhalt gezahlt werden. Liegt das Einkommen des Kindes darunter, kann das Sozialamt Leistungen für Hilfe zur Pflege nicht von ihm zurückfordern. Für die Grundsicherung im Alter gilt dies bereits länger.

Die Unterhaltspflicht besteht ausschließlich gegenüber den eigenen Eltern. Schwiegerkinder sind nicht zu Unterhaltszahlungen für ihre Schwiegereltern verpflichtet, wie der BGH 2004 konkretisiert hat (AZ XII ZR 69/01). Das gilt also, wenn zum Beispiel der Schwiegersohn mehr als 100.000 Euro im Jahr verdient. Auch können keine anderen Verwandten wie Cousinen, Tanten oder die Enkelkinder zu Unterhaltszahlungen verpflichtet werden.

Eltern, die ihre Kinder nicht finanziell belasten wollen, äußern oftmals den Wunsch, auf die Unterhaltszahlungen verzichten zu wollen. Dies ist allerdings nicht möglich, sofern die gesetzliche Pflicht zum Elternunterhalt besteht.

Wie viel an Eltern­un­ter­halt wird fällig?

Vermutet das Sozialamt, dass bei dir mehr als 100.000 Euro an Jahreseinkünften zusammenkommen, fordert es dich dazu auf, über deine Einnahmen Auskunft zu geben.

Maßgeblich für die Höhe des Elternunterhalts ist das sogenannte bereinigte Nettoeinkommen. Grundlage für dessen Berechnung ist das jeweilige Jahresbruttoeinkommen.

  • Dazu müssen Ange­stell­te ihren Lohn oder ihr Gehalt der ver­gan­ge­nen zwölf Monate vor Eintritt der Eltern­un­ter­halts­pflicht zusammenzählen.
  • Selbst­stän­di­ge müssen ihr durch­schnitt­li­ches Net­to­ein­kom­men der ver­gan­ge­nen drei bis fünf Jahre addieren.
  • Zusätz­lich sind gege­be­nen­falls weitere Einkünfte, etwa aus Mieten oder Kapital, zu berück­sich­ti­gen und auch Steu­er­rück­zah­lun­gen einzubeziehen.

Vom so ermittelten Nettoeinkommen darfst du diverse unvermeidliche und notwendige finanzielle Verpflichtungen und Aufwendungen abziehen. Dazu gehören zum Beispiel Kosten für:

  • Fahrten zum Arbeitsplatz
  • medi­zi­ni­sche Behand­lun­gen und Vorsorgeaufwendungen
  • Raten für Bau- oder Immobilienkaufdarlehen
  • vor­ran­gi­ge Unter­halts­pflich­ten gegenüber dem Ehe­part­ner oder den eigenen Kindern
  • Regel­mä­ßi­ge Besuche bei den (pfle­ge­be­dürf­ti­gen) Eltern
Vater sitzt verzweifelt vor Laptop und schaut auf Unterlagen. Im Hintergrund sind Frau und Kind zu sehen.
© iStock.com/sturti

Eltern­un­ter­halt: Was bedeuten Schon­ver­mö­gen und Selbstbehalt?

Wer unterhaltspflichtig ist, muss sich nicht für den Elternunterhalt verschulden oder den letzten Euro dafür ausgeben. Wichtige Begriffe in diesem Zusammenhang sind Selbstbehalt und Schonvermögen.

Der Selbstbehalt bezeichnet Freibeträge für das Einkommen der zahlungspflichtigen Angehörigen. Diese sind konkret in der sogenannten Düsseldorfer Tabelle geregelt.

  • Wenn du deinen Eltern gegenüber unter­halts­pflich­tig bist, hast du Anspruch auf min­des­tens 2.000 Euro Selbst­be­halt, inklusive 700 Euro für die Warmmiete.
  • Bist du ver­hei­ra­tet, kommen 1.600 Euro durch deinen Ehe­part­ner hinzu.
  • Der Selbst­be­halt für Familien mit eigenen Kindern beläuft sich derzeit auf monat­li­che 3.600 Euro (Stand Oktober 2022).

Von dem Betrag, der nach der Bereinigung des Nettoeinkommens und dem Abzug des Selbstbehalts übrigbleibt, müssen Kinder monatlich die Hälfte als Elternunterhalt zahlen.

Schonvermögen bedeutet: Für Elternunterhalt kann gemäß § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) anderweitiges Vermögen nur insoweit für Unterhaltszahlungen herangezogen werden, als Verpflichtete nicht unangemessen benachteiligt werden. Deshalb ist unter anderem ein gewisser Teil des Bruttoeinkommens vor dem Elternunterhalt geschützt. Das gilt beispielsweise für:

  • Mittel für die eigene Alters­vor­sor­ge – hierfür müssen 5 Prozent des Brut­to­ge­halts übrigbleiben,
  • Ver­si­che­rungs­bei­trä­ge und
  • Bar­ver­mö­gen. Allein­ste­hen­den wird ein Betrag von 5.000 Euro, Ehe- oder Lebens­part­ner­schaf­ten ein Betrag von 10.000 Eurozugestanden.

Auch darf der Wert einer eigenen Immobilie, in der zahlungspflichtige Kinder wohnen, gemäß einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht angerechnet werden (AZ XII ZB 269/12). Allenfalls kann dafür ein sogenannter Wohnortvorteil mit in die Berechnung einfließen.

Das Schonvermögen, das nicht für den Elternunterhalt angetastet werden darf, wird individuell berechnet. Bei Streitigkeiten um den Elternunterhalt solltest du dir rechtlichen Beistand holen.

Wie wird der Eltern­un­ter­halt bei mehreren Kindern geregelt?

Hat ein bedürftiger Vater oder eine bedürftige Mutter mehrere Kinder, dann sind nur jene unterhaltspflichtig, deren persönliches Jahresbruttoeinkommen 100.000 Euro oder mehr beträgt. Es kann also sein, dass ein Kind Elternunterhalt zahlen muss und seine Geschwister nicht. Verdienen mehrere Kinder oberhalb der Einkommensgrenze für Elternunterhalt, heißt dies allerdings nicht, dass alle gleich viel an Unterhaltszahlungen leisten müssen. Hier wird je nach Einkommen für jedes Kind ein entsprechend zu zahlender Betrag berechnet.

Mit uns bist du bei Streitigkeiten in jeder Lebenslage gut abgesichert. >>

Lässt sich die Pflicht zu Eltern­un­ter­halt vermeiden?

Unter gewissen Voraussetzungen brauchen eigentlich zahlungspflichtige Kinder keinen oder zumindest nicht den vollen Elternunterhalt zu leisten. Und zwar dann, wenn die Zahlung nach § 1611 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) als unbillig oder grob unbillig, also als unangemessen und ungerecht anzusehen ist.

Unbillig ist es, wenn Mutter oder Vater ihre Bedürftigkeit selbst verschuldet oder ihre Unterhaltspflicht gegenüber den eigenen Kindern vernachlässigt haben. Grob unbillig sind Bedrohungen, schwere Beleidigungen sowie Gewalt gegenüber den Kindern.

Zwei wichtige Urteile dazu:

  • Die Ver­pflich­tung zum Eltern­un­ter­halt entfällt nicht auto­ma­tisch, wenn der Kontakt zwischen Kindern und Eltern seit langer Zeit abge­bro­chen war. Ent­spre­chend urteilte der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) 2014 (AZ XII ZB 607/12).
  • Eine Ver­wir­kung des Eltern­un­ter­halts ist auch möglich, wenn sich z. B. ein Vater nach der Scheidung um die Unter­halts­zah­lun­gen für sein min­der­jäh­ri­ges Kind gedrückt hat, wie das Ober­lan­des­ge­richt Oldenburg 2017 ent­schie­den hat (AZ 4 UF 166/15).
FAZIT
  • Kinder sind ihren bedürf­ti­gen Eltern gegenüber grund­sätz­lich zum Eltern­un­ter­halt verpflichtet.
  • Seit Januar 2020 gilt diese Ver­pflich­tung nur noch ab einem Jah­res­brut­to­ein­kom­men von 100.000 Euro oder mehr.
  • Der tat­säch­lich zu zahlende Betrag bemisst sich am berei­nig­ten Net­to­ein­kom­men, von dem der soge­nann­te Selbst­be­halt abgezogen wird. Ver­mö­gens­wer­te werden nur bedingt für eine Berech­nung hinzugezogen.
  • Eltern können ihren Anspruch auf Unterhalt auch ganz verwirken, aller­dings geschieht dies in der Regel nur in schwer­wie­gen­den Ausnahmefällen.
Artikel teilen

Bitte lesen Sie zu dem Inhalt auch unsere Rechtshinweise.

So einfach ist Rechtsschutz

Ein Rechtsstreit, ganz gleich in welchem Bereich, kommt oft unverhofft. Darum hat ADVOCARD mit dem 360°-Rechtsschutz einen besonders leistungsstarken Rundumschutz geschaffen.

Mehr erfahren

Mediation

Vertragen statt klagen: mit Mediation rechtliche Konflikte ohne Gerichts­ver­fahren lösen.

Strei­tatlas

Streit in Berlin? Zoff in München? Der interaktive Atlas zeigt, wo die deutschen Streithähne leben.

ADVOCARD-Service

Kompetente Beratung und professionelle Unterstützung rund um die Uhr.