14. Juni 2017, 15:12 Uhr
Kein Ehevertrag unter Zwang Wann ist der Ehevertrag sittenwidrig?
Unter bestimmten Umständen, zum Beispiel wenn eine Seite eine Zwangslage ausnutzt, kann ein Ehevertrag sittenwidrig sein und deshalb für ungültig erklärt werden. Informieren Sie sich hier über die rechtlichen Rahmenbedingungen.
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Sittenwidrige Inhalte im Ehevertrag: Rechtsverstöße und Benachteiligung
Wenngleich der Begriff der "guten Sitten" eine gewisse Dehnbarkeit aufweist, gibt es doch einige klare Richtlinien, wann ein Ehevertrag sittenwidrig ist:
- Vereinbarungen verstoßen gegen geltendes Recht
- übermäßige Benachteiligung eines Partners
Zwar dürfen Vertragspartner Vereinbarungen treffen, die vom üblichen Recht abweichen, doch sie dürfen keine Verbote brechen oder Inhalte festlegen, zu denen ihnen die Befugnis fehlt. So ist es zum Beispiel nicht möglich, per Ehevertrag die Ehe zeitlich zu begrenzen, denn eine Scheidung kann nur ein Richter vollziehen. Auch ein Komplettverzicht auf Unterhaltsleistungen ist sittenwidrig, da eine solche Vereinbarung der ehelichen Solidargemeinschaft entgegensteht, geltendes Recht verletzt und den üblicherweise Unterhaltsberechtigten massiv benachteiligen würde.
Sittenwidrige Umstände des Ehevertrags: Zwangslage und Unterlegenheit
Wurde der Ehevertrag unter sittenwidrigen Bedingungen unterzeichnet, wird er gemäß § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig. Das gilt auch, wenn er formal korrekt ist. Trifft eine der folgenden Bedingungen zu, ist die Ausnutzung einer Zwangslage wahrscheinlich:
- finanzielle oder mentale Unterlegenheit
- Abhängigkeit vom zukünftigen Ehepartner
- Druck und Drohungen
Die zentrale Frage ist: Hätte der benachteiligte Partner den Vertrag auch unterzeichnet, wenn er sich in einer anderen Situation befunden hätte? Oder wurde hier bewusst eine Zwangslage – etwa eine Schwangerschaft oder eine schwierige finanzielle Situation – ausgenutzt? Der Verdacht der Sittenwidrigkeit liegt auch nahe, wenn nicht beide Partner gleichermaßen geistig fähig sind, den Inhalt des Ehevertrages zu verstehen. Da Verträge auf Freiwilligkeit basieren, führen Drohungen wie „Wenn du nicht unterschreibst, wird die Hochzeit abgesagt“ dazu, dass der Ehevertrag nichtig ist.
Das Oberlandesgericht Oldenburg erklärte in einem Fall einen Ehevertrag für ungültig, den ein Unternehmer mit seiner 20 Jahre jüngeren, damals schwangeren Auszubildenden geschlossen hatte. Durch den Vertrag wurde die Frau finanziell stark benachteiligt. Die Umstände der Unterzeichnung waren nach Auffassung der Richter sittenwidrig, da die junge Frau ihrem zukünftigen Ehemann geistig und finanziell unterlegen war (AZ 3 W 21/17 (NL)).
Ist der komplette Ehevertrag nichtig, wenn er sittenwidrig ist?
In der Regel führt die Sittenwidrigkeit einzelner Vertragsbestandteile – seien es nun Inhalte oder Umstände – dazu, dass der gesamte Ehevertrag nichtig wird. Auch eine salvatorische Klausel schützt davor nur bedingt. Da Eheverträge sehr individuell sind, muss im Streitfall bei jedem Vertrag einzeln über die Gültigkeit oder Nichtigkeit entschieden werden.
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