22. März 2021, 8:00 Uhr
So geht’s richtig Was bedeuten Katastrophenfall und Notstand?
Mehrere Länder, unter anderem Spanien und Tschechien, haben im Zuge der Corona-Pandemie den Notstand ausgerufen; auch in Deutschland wurde mehrmals der Katastrophenfall ausgelöst. Was bedeutet das genau? Worin unterscheiden sich Notstand und Katastrophenfall? Klar ist: Ein Notstand kann weitreichende Konsequenzen für die Bürger haben. Welche das sind und warum das so ist, erfährst du hier.
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Was bedeutet Notstand?
Im Allgemeinen wird unter Notstand eine Ausnahmesituation bezeichnet, bei der die Existenz eines Staates oder zumindest die Erfüllung bestimmter staatlicher Grundfunktionen akut bedroht ist – und deshalb schnelle Gegenmaßnahmen erforderlich sind. Der Staat erhält daher mit dem Ausrufen des Notstands besondere Befugnisse, um kurzfristig reagieren zu können. Das kann geltende Rechte stark einschränken oder außer Kraft setzen. Rechtliche Grundlage dafür sind Ergänzungen zum Grundgesetz für den …
- Verteidigungsfall, also bei militärischen Angriffen auf das Bundesgebiet.
- inneren Notstand, etwa wenn die freiheitlich demokratische Grundordnung durch terroristische Vereinigungen bedroht wird.
- Katastrophenfall, beispielsweise Unwetter, besonders schwere Unglücksfälle und auch Seuchen.
Wenn die Bundesregierung einen inneren Notstand oder einen Katastrophenfall festgestellt hat, darf sie ...
- bestimmte Grundrechte der Bürger einschränken, insbesondere das Recht auf die freie Wahl des Aufenthaltsortes. Aber auch das Brief- und Fernmeldegeheimnis darf ausgesetzt werden.
- die Bundeswehr und die Bundespolizei einsetzen, um die innere Ordnung und das Zivilleben im Land zu schützen. Theoretisch könnten also Soldaten der Bundeswehr die Einhaltung von etwaigen Ausgangssperren überwachen.
- zwingende Anweisungen an die Bundesländer erteilen, die die Forderungen umsetzen müssen.
Notstandsgesetze sind also ein extremes verfassungsrechtliches Mittel. Deshalb wurden sie in der Bundesrepublik seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 1968 noch nie angewendet.
Bei den bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie beruft sich die Bundesregierung in erster Linie auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Allerdings ist die Situation hierzulande auch eine etwas andere als in zentral regierten Staaten wie Frankreich. Im föderal organisierten Deutschland ist es in erster Linie Sache der Bundesländer, die Menschen zu schützen.
Was bedeutet Katastrophenfall?
Jedes Bundesland hat ein eigenes Katastrophenschutzgesetz, in dem genau definiert ist, wann ein Katastrophenfall vorliegt. Das kann zum Beispiel bei extremen Naturereignissen wie etwa Hochwasser oder sehr starkem und anhaltendem Schneefall gegeben sein. Aber auch, wenn “Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen [...] gefährdet oder geschädigt werden”, wie es beispielsweise im bayerischen Katastrophenschutzgesetz (BayKSG) heißt. Die Katastrophenschutzgesetze der anderen Bundesländer enthalten vergleichbare Definitionen.
Auch die Zielsetzung der Gesetze für den Katastrophenfall ist überall identisch: Einsatzkräfte sollen gebündelt und die behördlichen Maßnahmen zur Katastrophenbekämpfung koordiniert werden. Aber auch für die Menschen in betroffenen Regionen kann das Ausrufen des Katastrophenfalls direkte Konsequenzen haben.
Rechtliche Auswirkungen bei Feststellung eines Katastrophenfalls
Genau wie beim nationalen Notstand dürfen im Katastrophenfall Grundrechte eingeschränkt werden. Das trifft auch hier vor allem das Recht auf Freizügigkeit, unter anderem kann auch das Recht auf die Unverletzlichkeit der eigenen Wohnung eingeschränkt werden.
Ein Katastrophenfall kann außerdem Auswirkungen auf das Arbeitsrecht haben. Arbeitgeber dürfen Überstunden anordnen, wenn dies zur Gefahrenabwehr oder der Beseitigung von Katastrophenschäden dient. Sie sind aber auch verpflichtet, Mitarbeiter freizustellen, die zum Katastrophenschutzeinsatz herangezogen werden. In vielen Fällen müssen Unternehmen das Gehalt dabei weiterzahlen. In manchen Landeskatastrophenschutzgesetzen ist eine Entschädigung für Arbeitgeber durch die Behörden vorgesehen.
Katastrophenfall häufig regional begrenzt
Ein Katastrophenfall wird selten für ein gesamtes Land ausgerufen. Meist gilt er für einzelne Landkreise oder Städte, wenn diese etwa von einem Hochwasser oder einer Schneekatastrophe betroffen sind. Wegen der Corona-Pandemie haben im Dezember 2020 die Bundesländer Brandenburg und Thüringen für ausgewählte Regionen den Katastrophenfall ausgerufen. Nur Bayern hat das im Frühjahr des gleichen Jahres für den gesamten Freistaat getan.
- Notstand ist eine Maßnahme auf Bundesebene, der Katastrophenfall ist Ländersache. Der Bund kann allerdings einen Katastrophennotstand ausrufen.
- Der Notstand ist die extremste Eingriffsmöglichkeit des Staates und wurde in der Bundesrepublik noch nie verhängt.
- Die Ausrufung des Katastrophenfalls geschieht deutlich häufiger, meist im Zusammenhang mit extremen Naturereignissen.
- Bei Notstand und im Katastrophenfall können Grundrechte beschnitten werden, insbesondere das Recht auf die freie Wahl des Aufenthaltsortes.
Bitte lesen Sie zu dem Inhalt auch unsere Rechtshinweise.