Pflichtteil vom Erbe: Wie hoch ist er und wer hat Anspruch? ©istock.com/skynesher

21. September 2021, 9:00 Uhr

Darf ich eigentlich? Pflicht­teil vom Erbe: Wie hoch ist er und wer hat Anspruch?

Das deutsche Erbrecht sieht für enge Angehörige eines Verstorbenen den sogenannten Pflichtteil vor. Das bedeutet: Sie haben einen gesetzlichen Anspruch auf einen bestimmten Anteil an dessen Nachlass. Diese Regelung kann Personen schützen, wenn sie im Testament benachteiligt oder gar enterbt wurden. Hier erfährst du, wer einen Pflichtteilsanspruch hat und worin er besteht.Alle Informationen zu der privaten Rechtsschutzversicherung von ADVOCARD

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Wer hat einen Pflichtteilsanspruch?

Im Erbrecht wird zwischen dem Erbteil und dem Pflichtteil unterschieden:

  • Der Erbteil ist derjenige Anteil am Nachlass, der einer Person nach der gesetz­li­chen Erbfolge zusteht. Die gesetz­li­che Erbfolge greift immer dann, wenn der Ver­stor­be­ne nichts anderes verfügt hat. Also zum Beispiel dann, wenn es kein wirksames Testament gibt.
  • Der Pflicht­teil ist hingegen der Teil vom Nachlass, den erb­be­rech­tig­te Ange­hö­ri­ge ein­for­dern können, wenn sie per Testament oder Erb­ver­trag aus­drück­lich vom Erbe aus­ge­schlos­sen Geregelt ist dies in § 2303 Bür­ger­li­ches Gesetz­buch (BGB). Danach beläuft sich der Pflicht­teil beträgt für Ange­hö­ri­ge auf die Hälfte des Wertes ihres gesetz­li­chen Erbteils.

Es steht allerdings nicht jedem Angehörigen ein Pflichtteil vom Erbe zu. Einen Anspruch darauf haben die Abkömmlinge des Verstorbenen, also in erster Linie dessen Kinder. Dies schließt auch nichteheliche und adoptierte Kinder ein. Ist eines der erbberechtigten Kinder bereits vor dem Erblasser verstorben, können dessen Kinder, also die Enkel des Erblassers, an seine Stelle treten und gegebenenfalls Anspruch auf einen Pflichtteil erheben.

Auch der Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner sowie die Eltern des Verstorbenen können einen Pflichtteilsanspruch erheben, wenn sie per Testament vom Nachlass ausgeschlossen wurden. Die Eltern sind nach der gesetzlichen Erbfolge allerdings nur dann erb- und damit pflichtteilsberechtigt, wenn der Verstorbene keine Abkömmlinge hatte.

Andere Angehörige – Geschwister, Nichten, Neffen, Cousins, Cousinen, Tanten, Onkel und Co. – haben keinen Pflichtteilsanspruch. Sie kann der Erblasser per Testament ohne Weiteres vom Erbe ausschließen.

Wie hoch ist der Pflicht­teil für Ange­hö­ri­ge und Ehepartner?

Die Höhe des Pflichtteils beträgt für Angehörige, wie oben angesprochen, die Hälfte des Wertes, der ihnen als Erbteil nach der gesetzlichen Erbfolge zugestanden hätte. Also müssen sie zunächst in Erfahrung bringen, wie hoch ihr gesetzlicher Erbteil ausgefallen wäre. Dazu müssen sie wissen:

  • Welchen Gesamt­wert hat der Nachlass? Hier kann ein Nach­lass­ver­zeich­nis
  • Auf wie viele Personen muss er auf­ge­teilt werden?
  • Und nach welcher Quote wird verteilt?

Je mehr Erben es gibt, desto kleiner wird natürlich der Erb- und somit auch der Pflichtteil jedes Einzelnen. Wichtige Faktoren sind auch der Familienstand des Verstorbenen und der Güterstand der Ehe.

Beispiel: Der Verstorbene hinterlässt seine Ehefrau und zwei Kinder. Die Eheleute lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, das bedeutet: Die Ehefrau erhält laut Gesetz die Hälfte des Nachlasses des Verstorbenen. Der Nachlass teilt sich also nach gesetzlicher Erbfolge so auf:

  • Ehefrau: 50 Prozent
  • Kinder: jeweils 25 Prozent

Wird eines der Kinder im Testament übergangen, kann es die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, also 12,5 Prozent des Nachlasswertes, als Pflichtteil einfordern. Es sei denn, der Verstorbene hat ausdrücklich auch den Pflichtteilsentzug angeordnet. Das ist aber nicht ohne Weiteres möglich, sondern nur bei grobem Fehlverhalten des Erbberechtigten. Mehr dazu liest du in diesem Streitlotse-Ratgeber. >>

Ein älteres Pärchen umarmt sich lächelnd.

© istock.com/AleksandarNakic

Für Ehepartner können bei der Berechnung des Pflichtteils mehrere Faktoren eine Rolle spielen.

  • Grund­sätz­lich beträgt ihr Pflicht­teil ebenfalls die Hälfte des Wertes des gesetz­li­chen Erbteils.
  • Bei der Zuge­winn­ge­mein­schaft gibt es aller­dings die Mög­lich­keit, sich zwischen dem soge­nann­ten “kleinen Pflicht­teil” und dem “großen Pflicht­teil” zu ent­schei­den, wenn der Ver­stor­be­ne dem Partner im Testament nicht den vollen gesetz­li­chen Erb­an­spruch zubilligt. Betrof­fe­ne sollten sich juris­ti­schen Rat dazu einholen, welche Mög­lich­keit in ihrem Fall günstiger ist.
  • Bei end­gül­ti­ger Trennung oder einem laufenden Schei­dungs­ver­fah­ren zum Zeitpunkt des Todes kann der Noch-Ehe­part­ner bereits vom Erbe aus­ge­schlos­sen sein.

Wenn es dem Erblasser und dem Erbberechtigten sinnvoll erscheint, können sich beide bereits zu Lebzeiten des Erblassers auf einen Pflichtteilsverzicht einigen. Gut zu wissen: Wer das Erbe ausschlägt, weil es möglicherweise verschuldet ist, verzichtet dabei automatisch auch auf seinen Pflichtteil.

Pflicht­teils­an­spruch muss geltend gemacht werden

Wer einen Pflichtteilsanspruch hat, aber testamentarisch vom Erbe ausgeschlossen wurde, muss seinen Anspruch geltend machen, damit dieser nicht verfällt. Tut er das nicht innerhalb von drei Jahren, nachdem er von dem Testament erfahren hat, erlischt der Pflichtteilsanspruch. Die Frist beginnt nicht direkt am Todestag des Erblassers, sondern immer erst am 1. Januar des Folgejahres.

Unabhängig davon, ob und wann Erbberechtigte von ihrem Pflichtteilsanspruch erfahren haben, verjährt dieser immer spätestens nach 30 Jahren.

Der Pflichtteil besteht in der Regel in einer Ausgleichszahlung, die die Erben an den Pflichtteilsberechtigten leisten. Dieser hat keinen Anspruch auf bestimmte Güter oder Gegenstände aus dem Nachlass.

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