7. November 2024, 10:59 Uhr
Darf ich eigentlich? Das neue Selbstbestimmungsgesetz: So änderst du deinen Geschlechtseintrag
Die Änderung des eigenen Geschlechtseintrags ist für viele Menschen ein entscheidender Schritt zur Anerkennung ihrer Identität. Das neue Selbstbestimmungsgesetz vereinfacht den früher oft langwierigen und aufwändigen Prozess und macht es möglich, den eigenen Weg selbstbestimmt und ohne unnötige Hürden zu gehen.
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Geschlechtseintrag und Selbstbestimmung: Deshalb gibt es das neue Selbstbestimmungsgesetz
Der Geschlechtseintrag gibt in offiziellen Dokumenten wie dem Personalausweis an, welchem Geschlecht eine Person angehört oder zu welchem Geschlecht sie sich zugehörig fühlt. Für viele intergeschlechtliche, nicht-binäre und trans Personen ist er mehr als nur ein Verwaltungsakt; die Änderung des Geschlechtseintrags symbolisiert die Anerkennung der eigenen Geschlechtsidentität.
Vor Inkrafttreten des neuen Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG) am 1. November 2024 war der Änderungsprozess oft mit erheblichem bürokratischem und psychologischem Aufwand verbunden. Das veraltete Transsexuellengesetz (TSG) verlangte medizinische Gutachten und gerichtsbasierte Verfahren, die viele Menschen als entwürdigend und unnötig kompliziert empfanden.
Jetzt können der Geschlechtseintrag – zu „männlich“, „weiblich“, „divers“ oder „ohne Eintragung“ – und auch der Vorname direkt beim Standesamt geändert werden. Das neue Selbstbestimmungsgesetz stärkt damit das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung: Ein gerichtlicher Prozess und medizinische Gutachten sind nicht mehr notwendig.
Übrigens: Auch in anderen Situationen kannst du beim Standesamt deinen Namen ändern lassen – etwa nach einer Scheidung.
Hat das neue Selbstbestimmungsgesetz auch Auswirkungen auf die Durchführung geschlechtsangleichender Maßnahmen?
Das neue Selbstbestimmungsgesetz behandelt ausschließlich die rechtliche Anpassung des Geschlechtseintrags und des Vornamens im Personenstandsregister. Es regelt nicht den Zugang zu medizinischen Eingriffen oder hormonellen Behandlungen.
Die Entscheidung, geschlechtsangleichende Maßnahmen durchzuführen, liegt weiterhin im Ermessen der behandelnden Fachärzte, für die Kostenübernahme sind die Krankenkassen und das Gesundheitssystem zuständig.
Änderung des Geschlechtseintrags: Ablauf und Voraussetzungen
Die Änderung deines Geschlechtseintrags beantragst du beim Standesamt. Hier musst du nach § 4 SBGG zunächst die Änderung anmelden. Dafür brauchst du:
- Personalausweis oder Reisepass
- beglaubigte Abschrift aus dem Geburtenregister oder Geburtsurkunde
- ggf. einen gültigen Aufenthaltstitel
- ggf. eine erweiterte Meldebescheinigung
- ggf. Geburtsurkunde von Kindern
Für die Anmeldung gibt es ein vorgefertigtes Formular, das du bereits im Vorfeld ausfüllen kannst. Nun beginnt eine dreimonatige Wartefrist, diesicherstellen soll, dass die Entscheidung gut überdacht ist und aus tiefem persönlichem Bedürfnis erfolgt.
Nach Ablauf der Wartefrist gibst du beim Standesamt eine sogenannte Erklärung mit Eigenversicherung ab, die bestätigt, dass die Änderung deiner eigenen Geschlechtsidentität entspricht.
Mit Blick auf die Wartefrist ist § 4 SBGG bereits vorzeitig zum 1. August 2024 in Kraft getreten: So konnten Änderungen schon ab diesem Datum angemeldet und direkt am 1. November vorgenommen werden.
Was kommt nach der Eintragsänderung?
Nach der erfolgreichen Änderung des Geschlechtseintrags musst du deine persönlichen Dokumente wie Personalausweis, Reisepass und gegebenenfalls andere Identitätsnachweise aktualisieren lassen. Auch deinen Arbeitgeber und Institutionen wie Banken und Versicherungen solltest du über die Änderung informieren, um Missverständnisse zu vermeiden.
Wenn du und deine Angehörigen Unterstützung benötigt, könnt ihr zahlreiche Beratungsangebote in Anspruch nehmen. Viele Onlineplattformen und Beratungsstellen bieten spezifische Unterstützung und Informationen an, um den Prozess für alle Beteiligten möglichst reibungslos zu gestalten. Andere helfen unter anderem bei Fragen zum Ablauf, den zu aktualisierenden Dokumenten und der Einhaltung der rechtlichen Vorgaben.
Wie viel kostet die Änderung des Geschlechtseintrags?
Für die Änderung des Geschlechtseintrags nach dem Selbstbestimmungsgesetz fallen Kosten an. Diese können sich je nach ausführendem Standesamt unterscheiden.
In Berlin werden beispielsweise folgende Gebühren erhoben:
- Namensrechtliche Erklärung nach § 2 SBGG: 15 Euro
- Bescheinigung über die Namensführung: 12 Euro
Dazu kommen die Kosten für neu auszustellende Dokumente, also:
- Personalausweis: 22,80 Euro (für unter 24-jährige) oder 37 Euro (ab 24 Jahren)
- Führerschein: 35 Euro
- Reisepass: 35 Euro (für unter 24-jährige) oder 70 Euro (ab 24 Jahren)
Für Ersatzdokumente oder Services wie Expressausstellung werden zusätzliche Kosten fällig.
Wie oft darf ich meinen Geschlechtseintrag ändern?
Ein häufiger Wechsel des Geschlechtseintrags ist nicht unbeschränkt möglich. § 5 SBGG sieht für Erwachsene eine einjährige Sperrfrist zwischen zwei Änderungen vor. Diese Sperrfrist soll sicherstellen, dass Entscheidungen mit Bedacht getroffen werden und nur in Fällen einer fundierten Identitätsänderung erfolgen.
Das bedeutet, nach einer erfolgten Änderung des Geschlechtseintrags dauert es 15 Monate – ein Jahr Sperrfrist plus drei Monate Wartefrist –, bis der Eintrag erneut geändert werden kann. Für Minderjährige oder betreute Personen gilt diese Sperrfrist nicht.
Privatsphäre wahren: Das Offenbarungsverbot
Um die Privatsphäre von Personen zu schützen, die ihren Geschlechtseintrag geändert haben, sieht § 13 SBGG ein Offenbarungsverbot vor. Das bedeutet, dass frühere Geschlechtseinträge oder alte Vornamen nur in besonderen rechtlichen Ausnahmefällen offengelegt werden dürfen, beispielsweise aus Gründen des Gesundheits- oder Kindeswohls.
Dieses Verbot soll verhindern, dass Menschen gegen ihren Willen in sozialen oder beruflichen Kontexten „geoutet“ werden. Um die Sicherheit Betroffener zu stärken,können Verstöße gegen das Offenbarungsverbot nach dem Selbstbestimmungsgesetz mit einer Geldbuße von bis zu 10.000 Euro geahndet werden.
Darüber hinaus kannst du eine Auskunftssperre beantragen, um den Zugriff auf deine Daten gezielt zu beschränken. Dieser rechtliche Rahmen bietet trans- und intersexuellen sowie nicht-binären Menschen die Möglichkeit, ihre geschlechtliche Identität zu schützen und nur dann offenzulegen, wenn sie es selbst möchten.
Das gilt für Jugendliche und betreute Personen
Für Jugendliche und minderjährige Personen gibt es spezifische Vorgaben. Jugendliche ab 14 Jahren können nach § 3 SBGG Abs. 1 f. den Antrag auf Änderung des Geschlechtseintrags selbst stellen, benötigen jedoch die Zustimmung ihrer Eltern oder Sorgeberechtigten. Sind sich die Eltern oder Erziehungsberechtigten und das Kind nicht einig, kann das Familiengericht eine Entscheidung treffen, wobei das Kindeswohl im Vordergrund steht.
Für Jugendliche unter 14 Jahren dürfen nur die Eltern oder gesetzlichen Vertreter die Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens abgeben. Für Kinder unter fünf Jahren ist kein weiteres Einverständnis notwendig, aber ab dem fünften Lebensjahr muss das Kind zustimmen, damit die Änderung erfolgen kann.
Auch betreute Personen haben nach § 3 SBGG Abs. 3 die Möglichkeit, ihren Geschlechtseintrag zu ändern. In solchen Fällen muss der gerichtlich bestellte Betreuer die Zustimmung des Betreuungsgerichts einholen. Diese wird erteilt, wenn die Änderung dem ausdrücklichen Wunsch oder dem mutmaßlichen Willen der betreuten Person entspricht. Der Betreuer gibt dann die Erklärung für die betreute Person ab.
FAQ
- Was ist das Selbstbestimmungsgesetz?
Das Selbstbestimmungsgesetz ermöglicht eine selbstständige Änderung des Geschlechtseintrags und Vornamens beim Standesamt durch eine einfache Erklärung mit Eigenversicherung.
- Wie ändere ich meinen Geschlechtseintrag?
Über die Erklärung mit Eigenversicherung wirdbeim Standesamt ein Antrag auf Änderung gestellt. Die Änderung wird nach einer Wartefrist von drei Monaten wirksam.
- Geschlechtseintrag ändern: Wie oft ist das möglich
Der Geschlechtseintrag kann einmal pro Jahr geändert werden: Eine Sperrfrist von einem Jahr zwischen zwei Änderungen wurde eingeführt, um spontane Entscheidungen zu vermeiden.
Bitte lesen Sie zu dem Inhalt auch unsere Rechtshinweise.