Lawinengefahr: Ist ein Reiserücktritt möglich? Ein Lawinen-Warnschild vor einer bergigen Schneelandschaft. © iStock.com/amriphoto

13. Januar 2022, 8:57 Uhr

Darf ich eigentlich? Lawi­nen­ge­fahr: Ist ein Rei­se­rück­tritt dann kostenlos möglich?

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Eine erhöhte Lawinengefahr im Skigebiet macht Winterurlaubern berechtigte Sorgen. Aber ist auch ein Reiserücktritt aus diesem Grund möglich? Hier kannst du nachlesen, welche Rechte Urlauber haben, wenn sie ihren Skiurlaub wegen möglicher Lawinenabgänge stornieren möchten, und was die konkrete Lawinenwarnstufe damit zu tun hat.

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Rücktritt vor Rei­se­be­ginn: Das regelt § 651h BGB

§ 651h Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) regelt die Kündigung eines Pauschalreisevertrags vor Reisebeginn. Wer eine Pauschalreise gebucht hat, kann jederzeit vor Reisebeginn vom Vertrag zurücktreten, wenn er seine Meinung geändert hat. Das gilt auch, wenn die Lawinenwarnstufe für das Reisegebiet sehr hoch ist und die Reise dir plötzlich zu unsicher erscheint. 

Für die Stornierung darf der Reiseveranstalter grundsätzlich eine Gebühr erheben, die vorher vertraglich festgelegt sein muss. Oft ist sie nach bestimmten Fristen gestaffelt, richtet sich also danach, wie lange vor Reisebeginn der Vertrag gekündigt wird. 

Der Veranstalter darf aber keine Entschädigung (also Stornogebühr) verlangen, wenn zur Reisezeit am Reiseort oder in unmittelbarer Nähe “unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände” aufgetreten sind, die das Reisen dorthin erheblich erschweren oder gar die Urlauber gefährden würden. Früher war hier im Gesetz von “höherer Gewalt” die Rede.

Ähnliches gilt, wenn du einen Urlaub im Ausland gebucht hast und anschließend für dein Reiseziel eine Reisewarnung ausgesprochen wird. Das ist derzeit vor allem im Zusammenhang mit Covid-19 wichtig.

Skiurlaub als Pauschal- oder Indi­vi­du­al­rei­se: Unter­schied­li­che Rechtsgrundlagen

Die Regelungen zum Reiserücktritt in § 651h BGB beziehen sich auf Pauschalreisen, bei den mehrere Reisen, Etappen und/oder Unterkünfte bei einem Veranstalter zusammenhängend gebucht wurden.

Wenn du dagegen Anreise, Skipass und Hotel sowie mögliche weitere Leistungen individuell und direkt beim jeweiligen Anbieter gebucht hast, kannst du dich nicht darauf berufen. In diesem Fall gelten die Stornierungsbedingungen des Anbieters gemäß dem jeweiligen Vertrag beziehungsweise Landesrecht. Hier sind Urlauber oft auf die Kulanz des Reiseveranstalters angewiesen, wenn sie sich kurzfristig für einen Reiserücktritt entscheiden.

Allerdings gilt für Ziele in Deutschland, unabhängig davon, ob pauschal oder individuell gebucht: Sind Hotel oder Pension wegen behördlich angeordneter Straßensperrungen oder riesiger Schneemassen nicht zu erreichen, musst du das Zimmer nicht bezahlen. Aber auch nur dann. Das Amtsgericht Viechtach hat in einem entsprechenden Fall zugunsten eines Hotelbetreibers entschieden (AZ 2 C 463/06). Aufgrund von Medienberichten über ein Schneechaos im Skigebiet hatte ein Urlauber seine Buchung kurzfristig storniert. Der Hotelbetreiber verwies jedoch darauf, dass das Hotel selbst nicht betroffen gewesen sei, und dass die meisten Straßen und Zufahrtswege innerhalb kurzer Zeit wieder frei gewesen seien.

Skiurlaub kostenlos stor­nie­ren, wenn Lawi­nen­ge­fahr droht?

Im Falle einer erhöhten Lawinengefahr stellt sich die Frage: Liegen außergewöhnliche Umstände vor, die eine kostenlose Stornierung der Pauschalreise rechtfertigen? Das kann bei Lawinengefahr im Skigebiet durchaus gegeben sein. Es muss jedoch in der Regel zum Zeitpunkt der Reise … 

  • eine konkrete Gefähr­dung des Win­ter­sport­ge­biets vorliegen
  • oder der Zielort wegen Stra­ßen­sper­ren uner­reich­bar sein.

Bei der Einschätzung der konkreten Gefährdung spielt laut einem Gerichtsurteil auch die Lawinenwarnstufe eine maßgebliche Rolle. Die Europäische Gefahrenskala für Lawinen unterscheidet insgesamt fünf Warnstufen. Von Stufe 1 (gering) bis Stufe 5 (sehr groß) zeigen sie an, wie hoch die Lawinengefahr in einer bestimmten Region ist. Pistenbetreiber in Wintersportgebieten sind verpflichtet, die aktuelle Lawinenwarnstufe zu beachten und gegebenenfalls notwendige Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen.

Das Amtsgericht Herne-Wanne hat im Fall einer Individualreise entschieden, dass eine gebuchte Ferienwohnung in einem Wintersportgebiet auch kurzfristig storniert werden darf, wenn für den Reisezeitraum dort Lawinenwarnstufe 5 ausgerufen ist (AZ 2 C 175/99). Laut dieser Warnstufe sind spontan auch in flacherem Gelände große Lawinenabgänge möglich, und es wird empfohlen, auf Skitouren zu verzichten. Die Angst des Urlaubers um Leib und Leben sei aufgrund dieser außergewöhnlich hohen Gefährdung nachvollziehbar, so das Gericht.

Nach Einschätzung von Juristen ist diese Entscheidung auf Pauschalreisen durchaus übertragbar: Die Lawinenwarnstufe 5 am Urlaubsort zur Reisezeit wird in der Regel als “unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand” anerkannt, der zur kostenfreien Stornierung berechtigt. 

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