16. Oktober 2020, 9:18 Uhr
Darf ich eigentlich? Digitaler Nachlass: Was geschieht mit Facebook und anderen Online-Konten?
E-Mail-Postfach, der Account fürs Fitnessarmband, Nutzerkonten in Onlineshops und natürlich Profile in sozialen Netzwerken: Es gibt kaum noch jemanden, der nicht irgendein Konto im Internet besitzt. Was mit solchen Accounts nach dem Tod des Inhabers geschieht, ist bislang nicht einheitlich geregelt. In Sachen Facebook hat der Bundesgerichtshof (BGH) allerdings ein Grundsatzurteil gefällt, dass wegweisend für den Umgang mit dem digitalen Nachlass ist – auch für Konten bei anderen Netzwerken. Was du wissen musst und wie du für den Ernstfall richtig vorsorgst.
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Was passiert mit den Daten?
Grundsätzlich gilt: Übermittelte oder gespeicherte Daten, etwa
- gepostete Bilder und Chatverläufe in sozialen Netzwerken,
- in einer Cloud abgelegte Dateien,
- gesendete und empfangene Nachrichten in E-Mail-Accounts,
verbleiben auch nach dem Tod des Account-Inhabers beim jeweiligen Anbieter. Wie diese mit dem Account verfahren, regelt jedes Unternehmen individuell.
Facebook sieht beispielsweise einen Gedenkzustand für Profile von Verstorbenen vor. Du kannst aber auch einstellen, dass dein Facebook-Konto nach deinem Tod vollständig gelöscht wird. Zudem können volljährige Facebook-Nutzer einen sogenannten Nachlasskontakt in den Einstellungen festlegen. Dieser Kontakt kann dann dein Profil im Gedenkzustand verwalten und auch die Löschung des Accounts bei Facebook beantragen. Vollen Zugriff auf das Konto erhält der Facebook-Nachlassverwalter aber nicht. Er kann sich nicht in deinem Account anmelden und daher auch nicht deine Nachrichten lesen.
Mehr Rechte für Erben durch BGH-Urteil
Für Aufsehen sorgte Ende 2015 der Streit um das Facebook-Konto eines unter ungeklärten Umständen tödlich verunglückten Mädchens vor dem Landgericht Berlin (AZ 20 O 172/15). Die Mutter hatte gehofft, im Facebook-Account der Tochter Hinweise auf einen möglichen Suizid zu finden. Facebook verweigerte ihr jedoch den Zugang. Das Unternehmen berief sich dabei auf die Privatsphäre Dritter, die durch die Einsicht der Eltern verletzt werden könnte.
Diese Gefahr sah das Gericht aber nicht als gegeben an, da auch vertrauliche Briefe von Dritten nach dem Tod des Empfängers von den Erben gelesen werden können, und entschied zugunsten der Eltern. Facebook legte daraufhin Beschwerde beim Kammergericht ein und bekam zunächst recht. In letzter Instanz bestätigte der BGH bereits 2018 das Landgerichtsurteil zugunsten der Eltern (AZ III ZR 183/17).
2020 stellte das oberste deutsche Zivilgericht in einem Grundsatzurteil noch einmal genauer klar, welche Rechte den Eltern als Erben eingeräumt werden müssen (AZ III ZB 30/209): Sie müssen auf das Konto und damit dessen Inhalte und Funktionalitäten genauso zugreifen können, wie es ihre verstorbene Tochter getan hat. Nur das Recht zur aktiven Weiternutzung, etwa das Verfassen neuer Beiträge oder Nachrichten, muss Facebook den Eltern nicht einräumen.
Rechtlich entscheidend: Social-Media-Accounts sind Teil des Erbes
Der BGH hat in seinem Grundsatzurteil deutlich gemacht, dass es sich bei Social-Media-Accounts um ein Vertragsverhältnis zwischen dem Anbieter und dem Nutzer handelt, der nicht höchstpersönlicher Natur ist. Und solche Verträge sind vererbbar – genau wie beispielsweise auch Handy-, Versicherungs- oder Mietverträge auf den Erben übergehen. Höchstpersönlich und deshalb nicht vererbbar sind Verträge nur, wenn die daraus resultierenden Rechte und Pflichten unmittelbar an die Person gebunden sind. Das ist zum Beispiel bei Arbeitsverträgen oder Vereinsmitgliedschaften der Fall.
Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung oder das Fernmeldegeheimnis sieht der BGH nicht, wenn Erben private Konversationen in Social-Media-Accounts lesen könnten. Damit haben die digitalen Nachrichten den gleichen Status wie private Briefe oder Tagebücher. Auch sie können vom Erben gelesen werden.
Besser: Digitalen Nachlass frühzeitig organisieren
Grundsätzlich geht also der gesamte digitale Nachlass auf die Erben über. Im Idealfall können diese bei Vorlage eines Erbscheins oder auch der Sterbeurkunde die Zugangsdaten einholen und entscheiden, wie sie mit ihrem digitalen Erbe verfahren. In der Praxis ist das allerdings oft kompliziert, wie der oben beschriebene Fall zeigt. Unternehmen berufen sich mitunter auf Datenschutz oder Telekommunikationsgeheimnis und zeigen sich wenig kooperativ. Zudem ist es für Erben oft gar nicht so einfach zu ermitteln, wo es überall Accounts gibt, um die sie sich kümmern müssen.
Wenn du deinen Hinterbliebenen Stress ersparen willst, solltest du auch deinen digitalen Nachlass im Netz und auf Endgeräten schon zu Lebzeiten organisieren. Dadurch kannst du außerdem vermeiden, dass sich nach deinem Tod alle Erben durch dein digitales Vermächtnis wühlen können.
Wichtige Schritte:
- Lege eine Übersicht über alle deine digitalen Accounts samt Zugangsdaten an. Listen auf Papier oder Datenträgern eignen sich nur, wenn du einen sicheren Ort hast, an dem du sie aufbewahren kannst, zum Beispiel in einem Tresor oder Bankschließfach. Digitale Alternative ist ein Passwort-Manager-Tool. So muss nur ein einziger Zugang übermittelt werden. Außerdem lässt sich die Liste so einfacher aktuell halten.
- Benenne eine Person, die dein digitales Erbe verwaltet. Diesem digitalen Nachlassverwalter stellst du eine entsprechende Vollmacht aus. Wichtig dabei: In der Vollmacht muss formuliert sein, dass diese über deinen Tod hinaus gilt. Du kannst zusätzlich auch explizit festlegen, dass die bevollmächtigte Person schon zu deinen Lebzeiten handlungsbefugt ist, wenn du selbst nicht mehr dazu in der Lage sein solltest.Teile deinem digitalen Nachlassverwalter mit, wo er die Liste mit deinen Zugängen findet.
- Gib konkrete Handlungsanweisungen in der Vollmacht. Leg für jeden Account fest, was damit passieren soll. Außerdem solltest du deiner Vertrauensperson genaue Anweisungen geben, was mit den Daten geschehen soll, die sich auf deinen Geräten (Smartphone, Computer, externe Festplatten etc.) befinden.
- Social-Media-Accounts sind vererbbar. Das bedeutet, Erben haben das Recht auf vollen Zugriff auf vorhandene Inhalte.
- Grundsätzlich gilt: Hochgeladene und gespeicherte Daten bleiben auch nach deinem Tod im Besitz des jeweiligen Anbieters.
- Um Hinterbliebenen Stress und Streit zu ersparen, solltest du digitale Vorsorge betreiben und zu Lebzeiten festlegen, was nach deinem Tod mit deinen Daten und Online-Konten passieren soll.
- Du kannst eine Vertrauensperson zum digitalen Nachlassverwalter ernennen, damit sich nicht alle Erben durch dein digitales Vermächtnis wühlen.
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