24. November 2019, 12:58 Uhr
Achtung, das wird teuer Auffahrunfall: Richtig reagieren und Schuldfrage klären
Ein Auffahrunfall kann schnell passieren; nur ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit und schon kracht es. Nun ist es wichtig, Ruhe zu bewahren und einige wichtige Grundregeln zu beachten. Was du tun musst, erfährst du hier.
Wenn sich Streit im Straßenverkehr mal nicht vermeiden lässt, sind wir für dich da. >>
Nach dem Auffahrunfall: Sicherheit geht vor
Ein Auffahrunfall ist für alle Beteiligten ärgerlich, sodass die Gemüter oft erhitzt sind. Nach einem Unfall ist es jedoch wichtig, Ruhe zu bewahren und die Situation sachlich anzugehen, statt direkt mit einem Anwalt zu drohen.
- Zunächst solltet ihr die Unfallstelle sichern und den Gesundheitszustand aller beteiligten Personen überprüfen.
- Ist jemand ernsthaft verletzt? Dann muss Erste Hilfe geleistet werden, außerdem solltest du über 112 den Notruf alarmieren.
- Ebenfalls wichtig nach dem Auffahrunfall: die Unfallaufnahme durch die Polizei, sofern es sich nicht nur um einen Bagatellschaden handelt, und der Austausch der persönlichen Daten, insbesondere zu Versicherung des Unfallgegners.
- Ausführliche Tipps und Infos zum Verhalten nach einem Autounfall erhältst du hier.
Wer trägt bei einem Auffahrunfall die Schuld?
“Wer auffährt, ist schuld” – dieser verbreitete Grundsatz greift etwas zu kurz. Es stimmt zwar: Nach dem sogenannten Anscheinsbeweis wird im Regelfall davon ausgegangen, dass der Auffahrende unaufmerksam war oder einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten hat. Es ist dann an ihm, dies durch Beweise oder Zeugen zu widerlegen.
Bremst der Vorausfahrende jedoch zum Beispiel plötzlich stark ab, kann er eine Teilschuld oder gar die alleinige Schuld an dem Auffahrunfall zugesprochen bekommen. Ohne zwingenden Grund ist das gemäß § 4 Straßenverkehrsordnung (StVO) nämlich verboten.
- Ein zwingender Grund zum plötzlichen Abbremsen ist gegeben, wenn zum Beispiel eine Person direkt vor dem herannahenden Auto auf die Straße läuft und der Fahrer bremst, um sie nicht zu überfahren
- oder wenn durch die Kollision mit einem plötzlich auftauchenden Objekt ein hoher Sach- bzw. Blechschaden
- Kein zwingender Grund zum plötzlichen Bremsen ist es jedoch, wenn der Fahrer eine Geschwindigkeitskontrolle sieht und in die Eisen geht, um nicht geblitzt zu werden.
Auf ein parkendes Auto aufgefahren: Wer ist schuld?
Bei einem Auffahrunfall auf ein stehendes Fahrzeug wird häufig davon ausgegangen, dass der Fahrer des auffahrenden Wagens schuld ist. Aber das ist nicht automatisch so: Stand der andere Wagen zum Beispiel unzureichend abgesichert nachts an einer unbeleuchteten Straße oder direkt hinter einer Kurve, kann auch dessen Besitzer eine Teilschuld erhalten.
Achtung: Wenn du ein parkendes Auto angefahren hast und einfach weiterfährst, kannst du wegen Unfallflucht belangt werden. Wie du stattdessen reagieren solltest, liest du hier: “Fahrerflucht: Besteht eine Wartepflicht nach Unfällen?”
Auffahrunfall mit mehreren Autos: Wer zahlt?
Kompliziert kann die Schuldfrage werden, wenn an einem Auffahrunfall mehr als zwei Fahrzeuge beteiligt sind. Beispiel: Ein Autofahrer merkt zu spät, dass er auf ein Stauende zufährt. Er fährt auf ein anderes Auto auf, das wiederum auf das vor ihm stehende Fahrzeug auffährt.
Auch in solchen Fällen kann der Anscheinsbeweis den hintersten Fahrer belasten, sodass dieser die volle Schuld trägt.
Allerdings muss dazu in der Regel erwiesen sein, dass es allein durch seine Einwirkung auch zu dem nachfolgenden Auffahrunfall gekommen ist. Im Streit um die Schuldfrage bei einem solchen Kettenauffahrunfall entlastete das Oberlandesgericht Hamm 2014 die Autofahrerin, die das hinterste Fahrzeug gesteuert hatte (AZ 6 U 101/13).
Dem Gericht fehlte der Beweis dafür, dass ihr Vordermann bereits rechtzeitig zum Stehen gekommen war, bevor der Aufprall des hinteren Fahrzeugs erfolgte und er seinerseits dem vor ihm fahrenden Wagen auffuhr. Da sich dies nicht mehr klären ließ, entschied das OLG Hamm, dass beide Fahrer jeweils die Hälfte der Schuld trügen.
Welche Konsequenzen hat ein Auffahrunfall?
Wer letztlich als Schuldiger ausgemacht wird, muss für die entstandenen Kosten aufkommen. Mehr zum Thema Kostenübernahme, Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Autounfall erfährst du auf unserer Themenseite “Verkehrsunfall”.
Wer einen Auffahrunfall verursacht hat, muss mit einem Bußgeld rechnen. Typische Beispiele (Stand: November 2019):
- Wer auffährt, weil er zu schnell war oder den Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat, zahlt 35 Euro Bußgeld.
- Wer den Auffahrunfall verursacht, weil er plötzlich ohne zwingenden Grund stark gebremst hat, zahlt 30 Euro Bußgeld.
Eine pauschale Punktestrafe gibt es für Auffahrunfälle nicht. Je nach Situation können dem Verursacher aber neben dem Bußgeld durchaus auch Punkte in Flensburg drohen:
- zum Beispiel, wenn er sein liegengebliebenes Auto nicht ausreichend beleuchtet und gesichert hat, sodass ein anderer Verkehrsteilnehmer darauf auffährt (75 Euro, 1 Punkt),
- oder wenn er während der Fahrt aufs Handy geschaut hat und aus diesem Grund einen Auffahrunfall verursacht hat (200 Euro, 2 Punkte, Fahrverbot möglich).
Bei Fahrern, die innerhalb ihrer Probezeit einen Auffahrunfall verursachen, kommt es auf die Umstände an: War der Fahrer in der Probezeit etwa deutlich zu schnell oder alkoholisiert unterwegs, kann zusätzlich zu den üblichen Konsequenzen etwa die Probezeit verlängert oder eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) angeordnet werden.
- Der Anscheinsbeweis belastet in der Schuldfrage zunächst den Auffahrenden.
- Auch das Verhalten des Vordermannes kann jedoch Auslöser des Auffahrunfalls sein. Er kann entsprechend eine Teilschuld oder sogar die alleinige Schuld tragen.
- Bei einem Auffahrunfall mit mehreren Autos ist nicht pauschal der letzte Fahrer schuld: Es muss erwiesen sein, dass sich die anderen Beteiligten jeweils korrekt verhalten haben.
Bitte lesen Sie zu dem Inhalt auch unsere Rechtshinweise.