23. September 2021, 9:00 Uhr
Durchatmen Zu Unrecht geblitzt? Darauf sollten Autofahrer achten
Es kommt vor, dass Autofahrer zu Unrecht geblitzt werden. Etwa, weil die Technik des Messgeräts versagt hat oder weil das Schild mit der Geschwindigkeitsbegrenzung fehlte. Manchmal ist auch der Fahrer auf dem Blitzerfoto nicht eindeutig erkennbar. Hat man dann eine Chance, sich gegen das Bußgeld zu wehren?
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Technische Fehler, falscher Standort oder fehlendes Schild
Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung kann ein Bußgeldbescheid aus verschiedenen Gründen anfechtbar werden. Zum Beispiel, wenn die Geschwindigkeitsmessung technisch nicht korrekt abgelaufen ist. Ein Urteil am Verfassungsgerichtshof des Saarlandes führte 2019 dazu, dass zahlreiche Bußgeldbescheide nichtig wurden und der Einsatz von Messgeräten bestimmter Hersteller bundesweit überprüft wurde. Das Gericht hatte entschieden, dass die Bilder bestimmter Messgeräte-Typen nicht verwertbar seien, da sie nicht alle benötigten Daten speichern (AZ Lv 7/17).
Messgeräte könnten zudem unsachgemäß bedient, nicht ordnungsgemäß aufgestellt oder nicht korrekt justiert worden sein. Betroffene Autofahrer können daher Zweifel anmelden, wenn sie meinen, dass die im Bußgeldbescheid angegebenen Daten nicht stimmen können. Das gilt auch, wenn ein falscher Standort der Messung angegeben wird, also eine Stelle, an der du zum gegebenen Zeitpunkt gar nicht vorbeigekommen bist.
Vielleicht wunderst du dich auch über den Bescheid, weil du dich nicht erinnern kannst, vor Ort überhaupt ein Schild mit einer entsprechenden Geschwindigkeitsbeschränkung gesehen zu haben. Auf der Autobahn 3 bei Köln wurden beispielsweise im Jahr 2016 wegen fehlender Beschilderung zahlreiche unrechtmäßige Blitzer-Bußgelder verhängt – und anschließend wieder aufgehoben, als die Behörde ihren Fehler erkannte. Die Fahrzeuge waren hinter einer Baustelle geblitzt worden, weil dort das Schild fehlte, das weiterhin eine Geschwindigkeit von 60 km/h vorschrieb. In vielen Fällen ist die Geschwindigkeitsbegrenzung mit Ende der Baustelle automatisch aufgehoben.
Solche Dinge solltest du zunächst selbst im Rahmen deiner Möglichkeiten überprüfen – und dich ehrlich fragen: Bist du dir wirklich sicher, dass du nicht zu schnell unterwegs warst?
Ist das Bußgeld rechtens, wenn man von hinten geblitzt wurde?
In Deutschland wird meist von vorn oder von der Seite geblitzt, selten von hinten. Grund ist, dass hierzulande die Fahrerhaftung gilt: Für Verstöße am Steuer haftet derjenige, der gefahren ist, und nicht zwingend der Fahrzeughalter. Die Polizei muss also dem Halter des Wagens im Zweifel nachweisen, dass er selbst am Steuer saß. Und das ist schwierig, wenn das Foto nur das Heck des Fahrzeugs zeigt.
Auch ohne Identifizierung des Fahrers kann das Blitzerfoto von der Rückseite aber belegen, dass mit dem Fahrzeug eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen wurde – vorausgesetzt, es gab keinen technischen Fehler. Es ist daher zulässig, dass der Halter einen Bußgeldbescheid erhält. Aber: Wer nicht zu erkennen ist und sich zu Unrecht geblitzt fühlt, hat möglicherweise eine Chance, den Bußgeldbescheid abzuwehren – mehr dazu im nächsten Absatz.
Zum Einsatz kommen Geschwindigkeitsmessgeräte, die von hinten blitzen, vor allem auf bei Motorradfahrer beliebten Strecken. Da Motorräder das Kennzeichen am Heck haben, besteht nur so die Möglichkeit, den Halter zu ermitteln. Dabei ist dann natürlich kein Gesicht zu erkennen. Doch auf dem Motorrad lassen sich Fahrer möglicherweise auch anhand von Merkmalen wie Statur, Größe, Kleidung oder Helm identifizieren.
Blitzerfoto unscharf: Wenn der Fahrer nicht erkennbar ist
Ist der Fahrer nicht zu erkennen, dann ist es schwierig, ihm den Verstoß nachzuweisen. In einem solchen Fall entschied zum Beispiel das Oberlandesgericht Bamberg auf Einstellung des Bußgeldverfahrens (AZ 2 Ss OWi 143/12).
Lichtspiegelungen oder schlechte Witterungsverhältnisse können dazu führen, dass die Person auf dem Foto nur schwer zu erkennen ist. Allerdings kann das Originalfoto in der Datenbank der Behörde von deutlich besserer Qualität sein als der Abzug, der dem Bußgeldbescheid beiliegt. Wer ein Blitzerfoto anzweifeln möchte, sollte daher bei der Behörde Akteneinsicht beantragen.
Übrigens: Die Behörde ist nicht verpflichtet, dem Bußgeldbescheid einen Abzug des Blitzerfotos beizulegen. Auch bei einem Bescheid ohne Foto kann es sich daher lohnen, Akteneinsicht zu beantragen. Ist das Foto unscharf oder das Gesicht verdeckt, kann ein Fachanwalt für Verkehrsrecht einschätzen, ob ein Einspruch gegen den Bescheid erfolgversprechend ist.
Wenn der Fahrer nicht erkennbar ist, kann die Behörde aber andere Beweise heranziehen, um ihn zu identifizieren, zum Beispiel Zeugenaussagen – oder auch mitfotografierte Personen im Fahrzeug. Das Oberlandesgericht Oldenburg wertete 2015 die Tatsache, dass die Tochter eines Fahrzeughalters als Beifahrerin auf dem Blitzerfoto zu sehen war, als hinreichenden Beleg dafür, dass der Halter den Wagen gesteuert hatte (AZ 2 Ss 20/15). Der Fahrer selbst war auf dem Foto nicht eindeutig zu erkennen.
Geblitzt, weil ein überholendes Fahrzeug zu schnell war?
Dumm gelaufen: Du selbst fährst vorschriftsmäßig, aber genau auf der Höhe eines Blitzers rast ein anderes Fahrzeug an dir vorbei, sodass die Radarfalle auslöst. Viele Betroffene fürchten dann, zu Unrecht einen Bußgeldbescheid zu erhalten.
Diese Gefahr besteht allerdings eher nicht, wenn Lasertechnik eingesetzt wurde (moderne Blitzersäulen oder manuelle Messung durch Polizeibeamte). Diese ermöglicht es normalerweise, Fahrspuren einzeln zu erfassen und die Geschwindigkeitsüberschreitung dem betreffenden Fahrzeug sicher zuzuordnen. Fehler können aber natürlich trotzdem passieren.
Bei stationären Blitzern mit Radartechnik ist nicht auszuschließen, dass ein unrechtmäßiger Bußgeldbescheid an den Halter eines langsameren Fahrzeugs ergeht, das zufällig mit im Bild war. Passiert das und du bist dir keiner Schuld bewusst, solltest du dich an die Behörde werden und den Sachverhalt erklären.
Einspruch ist immer möglich – aber du musst dich selbst entlasten können
Wenn du einen Bußgeldbescheid nicht hinnehmen möchtest, weil du glaubst, dass du zu Unrecht geblitzt wurdest, kannst du dagegen Einspruch einlegen. Wie du dabei vorgehen musst, liest du in diesem Streitlotse-Ratgeber. Allerdings solltest du bedenken, dass die Beweislast bei dir liegt und du nachweisen musst, dass die Geschwindigkeitsmessung nicht korrekt war.
Grundsätzlich gilt: Wer einen Bußgeldbescheid für zu schnelles Fahren abwehren möchte, sollte in der Lage sein, sich selbst zu entlasten. Zum Beispiel, indem er angibt, wer an seiner Stelle gefahren ist. Der Fahrzeughalter kann zum Führen eines Fahrtenbuchs verpflichtet werden, wenn selbst nicht gefahren sein will, aber auch keine andere Person als Fahrer benennen kann. So entschied zum Beispiel das Verwaltungsgericht Minden (AZ 2 K 1957/12).
Wenn du unsicher bist, ob der Einspruch Erfolg haben könnte, solltest du dich von einem Experten beraten lassen.
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