31. August 2021, 8:00 Uhr
Durchatmen Verwertungskündigung: Die Rechte von Mietern und Vermietern
Dein Mietvertrag wird gekündigt, weil der Vermieter das Haus abreißen will, um einen gewinnträchtigen Neubau zu errichten. Kann das rechtens sein? Wenn sich ein bestehendes Mietverhältnis für Vermieter nicht rechnet, dürfen sie ihren Mietern unter Umständen kündigen, um ihr Eigentum wirtschaftlicher zu “verwerten”. Die Chance auf höhere Einnahmen allein reicht als Grund allerdings nicht aus. Welche Regeln für Eigentümer gelten und was Mieter im Fall einer solchen Verwertungskündigung tun können, liest du hier.
Was ist eine Verwertungskündigung?
Wenn der Vermieter wegen Eigenbedarf kündigt, ist das für die betroffenen Mieter zwar unerfreulich, aber zumeist ein nachvollziehbarer Kündigungsgrund. Gleiches gilt für den Fall, dass Mieter ihren vertraglichen Pflichten nicht nachkomme und beispielsweise ihre Miete nicht zahlen.
Neben diesen beiden Gründen ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in § 573 noch ein dritter Fall genannt, der Vermieter berechtigt, Mietverträge zu kündigen. Nämlich dann, wenn ihn das Mietverhältnis an einer “angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks” hindert und ihm dadurch “erhebliche Nachteile” entstehen. Das ist die Verwertungskündigung.
Das bedeutet allerdings nicht, dass es grundsätzlich erlaubt ist, ein Verwertungskündigung auszusprechen, wenn sich anderweitig mehr Geld mit der Immobilie oder dem Grundstück einnehmen lässt. Auch wenn der Vermieter bei einer Neuvermietung deutlich höhere Mieten fordern könnte, reicht das allein als Grund für eine Verwertungskündigung nicht aus.
In welchen Fällen ist eine Verwertungskündigung möglich?
Grundvoraussetzung Nummer eins ist, dass der Vermieter sein Eigentum “anderweitig verwerten” möchte. Das ist bei einer lukrativen Neuvermietung – wie oben beschrieben – aber nicht der Fall. Schließlich ändert sich nichts – außer dem Umstand, dass der neue Mieter mehr zahlen muss. Anders sieht es aus, wenn …
- Wohnraum in Gewerbeimmobilien umgewandelt werden soll.
- das Gebäude grundlegend saniert und in Eigentumswohnungen umgewandelt werden soll.
- das Gebäude verkauft werden soll.
- sich eine Sanierung nicht mehr lohnt, sodass ein Abriss mit anschließendem Neubau wirtschaftlicher ist.
Zweiter wichtiger Faktor neben der anderweitigen Verwertung sind die “erheblichen Nachteile”, die dem Eigentümer durch das laufende Mietverhältnis entstehen. Die muss er belegen können. Etwa weil sich bestimmte Sanierungsmaßnahmen nicht umsetzen lassen, wenn das Gebäude bewohnt ist. Oder weil bei einem geplanten Verkauf des Hauses im unbewohnten Zustand ein deutlich höherer Preis drin wäre als mit einem zu übernehmenden Mietvertrag.
Damit eine Verwertungskündigung zulässig ist, muss der wirtschaftliche Nachteil für den Vermieter schwerer wiegen als der Verlust der Wohnung für den Mieter, entschied das Landgericht (LG) Potsdam 2014 (AZ 4 S 163/11). Problematisch ist allerdings, dass es kein verbindlichen Definition gibt, ab wann ein Nachteil für den Besitzer erheblich ist, und Gerichte in solchen Fällen unterschiedlich entscheiden. Letztlich kommt es also immer auf den Einzelfall an.
Wann eine Verwertungskündigung nicht zulässig ist
Die wenig konkreten Bedingungen machen es häufig schwer zu bewerten, ob eine Verwertungskündigung legitim ist oder nicht. Nicht zulässig sind Verwertungskündigungen beispielsweise ...
- wegen eines ersatzlosen Abrisses: Ein Abriss allein ist noch keine anderweitige wirtschaftliche Verwendung. Der Besitzer braucht auch einen Plan, wie der das Grundstück danach nutzen will. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) 2020 (AZ VIII ZR 70/19).
- bei vom Vermieter selbstverschuldeten Sanierungsbedarf: Hält der Vermieter seine Wohnungen nicht vertragsgemäß instand oder lässt das Gebäude absichtlich verfallen, um es dann beispielsweise abreißen oder zu Luxuswohnungen sanieren zu können, spielen die Gerichte in der Regel nicht mit.
- wenn ein vorübergehendes Ausquartieren der Mieter ausreicht, um die geplanten Sanierungsmaßnahmen umzusetzen.
Was bei der Kündigung beachtet werden muss
Vermieter müssen bei einer Verwertungskündigung im Kündigungsschreiben konkrete, überprüfbare Gründe nennen, warum die Fortführung des Mietvertrags für sie nicht zumutbar ist. Soll die Wohnung verkauft werden, muss beispielsweise in der Kündigungserklärung dargelegt werden, wie hoch die Einbußen durch das bestehende Mietverhältnis ausfallen würden und worauf sich diese Angaben stützen.
Außerdem müssen natürlich die gesetzlichen Fristen für eine ordentliche Kündigung einhalten werden:
- Drei Monate Kündigungsfrist bei Mietverhältnissen mit einer Dauer von unter fünf Jahren
- Sechs Monate Kündigungsfrist bei Mietverhältnissen mit einer Dauer von fünf bis acht Jahren
- Neun Monate Kündigungsfrist bei Mietverhältnissen mit einer Dauer von mehr als acht Jahren
Was Mieter im Fall einer Verwertungskündigung tun können
Eine Verwertungskündigung müssen Vermieter gut begründen können. Denn der Gesetzgeber will Mieter davor schützen, Opfer von Immobilienspekulation und Profitmaximierung zu werden. Wenn du als Mieter Zweifel an der Begründung hast, kannst du die Kündigung anfechten. Mieter sollten dazu schriftlich erklären, warum sie den Kündigungsgrund für nicht zutreffend halten. Ein Anwalt kann dich dabei unterstützen.
Außerdem können Mieter – wie auch bei der Eigenbedarfskündigung – Widerspruch einlegen, wenn ein Härtefall vorliegt. Zum Beispiel, wenn sie schwer krank oder bereits sehr alt sind, sodass der Auszug eine enorme Belastung für sie darstellt.
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